Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
drehte sich um und ihr Mund bewegte sich, dann deutete sie sie in die andere Richtung und winkte ihn tiefer in den Sturm hinein.
»NEIN!« Steffen machte einen Sprung vorwärts, streckte die Hand aus und versuchte, ihren Arm zu erwischen, aber er erreichte sie nicht: Seine Fingerspitzen glitten über den roten Stoff, schossen vorbei und schlossen sich zu einer Faust voll leerer Luft. »LINDA! NEIN!«
Komm schon, du darfst sie nicht verlieren! Sie hat die Orientierung verloren, verdammt noch mal! Er stapfte vorwärts. Noch immer sah er den roten Stoff wie eine schwach flackernde Warnleuchte im Schnee, während seine Schuhe tief einsanken. Der Schnee schob sich in seine Hose, seine Schuhe und kroch seine Beine hinauf.
Ein neuer Schritt und er schlug der Länge nach hin.
»Argh, verdammt!« Mit einem Mundvoll Schnee rappelte er sich hoch. Aber dann, halb auf die Arme gestützt, hielt er inne.
Linda stand vor ihm und der rote Stoff ihrer Jacke leuchtete fröhlich, als wäre überhaupt nichts geschehen.
»Was sollte das denn, he?« Und obwohl er über ihre Rückkehr unglaublich erleichtert, war er doch auch wütend. »Wieso zum Teufel bist du so weit vorausgegangen?«
Sie trat dicht an ihn heran, als wollte sie ihm einen Kuss auf die Wange geben, legte eine Hand auf seinen Arm und flüsterte in sein Ohr: »Du solltest dir das ansehen! Gleich dort vorne!« Jetzt griff sie nach seiner Hand und zog ihn vorwärts.
Entschlossen, sie dieses Mal um nichts in der Welt wieder loszulassen (Verliebte schwören sich das überhaupt ständig, nicht nur in einem Schneesturm bei unter fünfzehn Grad unter Null) folgte er ihr in die Richtung, in die sie ihn zog, vorsichtig, ein Schritt nach dem anderen in den tiefen Schnee setzend.
Aus dem dichten Schneegestöber schälte sich ein grauer Laternenpfahl, und Steffen wusste augenblicklich, wo sie waren. Hier hat uns das Taxi abgesetzt, gestern, als wir angekommen sind. Als wir uns auf einen Urlaub ohne Schneesturm und mit funktionierender Heizung freuten. Der Taxifahrer, ein junger Burscher, kaum ein paar Jahre älter als er selbst, hatte ihm wissend zugelächelt, dann war er die lange Straße zurückgefahren.
Es war der Parkplatz.
Aber er sah gar nicht mehr aus wie ein Parkplatz.
»Verstehst du, was ich meine?« rief Linda ihm ins Ohr. Ihre Augen waren geweitet.
Oh ja, das verstand er allerdings.
»Wie ... wie ist das möglich?«
Steffen drehte sich einmal im Kreis, um das, was er da sah, in ganzer Tragweite aufzufassen. Aber ... das ist doch unmöglich, oder nicht? Also ... so etwas gibt es doch nicht ...
So etwas muss es geben, erklärte ein rationaler Teil seines Verstandes. Du siehst es schließlich mit deinen eigenen Augen.
Auf dem Parkplatz, auf dem am gestrigen Morgen vielleicht noch gute zwanzig Wagen herumgestanden waren (Steffen hatte den Jaguar bewundert und sich mehrmals gefragt, wem er wohl gehörte), standen nun nur noch zwei.
Dort, wo die restlichen achtzehn geparkt waren, lag nur noch der Schnee in großen, dichten Wehen.
23
Und während das junge Paar aus Düsseldorf in Deutschland draußen auf dem Parkplatz jene seltsame Entdeckung machte, trug sich im Innern des Hotels etwas zu, das die allgemeine Stimmung weiter beeinträchtigte.
Helena Forster, die dreiundsechzigjährige Gattin des ein Jahr älteren Steuerrechtanwalts Robert Forster (er war mittlerweile im Ruhestand), bemerkte es zuerst.
»Ruf am Empfang an. Die Fernseher kriegen kein Bild rein. Ist das zu fassen?«
»Schatz, sind wir hierhergekommen, um fernzusehen?«
»Ich will nur sehen, wann dieser elende Sturm endlich vorüber ist. Dieses Wetter hätten wir zuhause in Maine haben können, verstehst du? Ich wollte die Wälder sehen, den Mount St. Ery ...«
»Es ist nicht der St. Ery, Schatz. Es ist der St. James.«
»Wie auch immer. Rufst du nun an oder muss ich wieder mit Miss Lott sprechen?«
Die Suite, die sie beide bewohnten, war geräumig und sehr geschmackvoll eingerichtet. Schwere Teppiche und Ölgemälde an den Wänden, im Wohnzimmer modernste Technik. Der Fehler - der einzige Fehler - war die Kälte, die sich von den Fenstern und dem Spalt unter der Tür ausbreitete. Die Kälte, die von einer tagsüber abgestellten Heizung herrührte, hat man von so etwas schon einmal in einem Hotel gehört?
Und Helena Forster spürte die Kälte in ihren Knochen. Du liebe Güte, sie war schließlich kein junges Mädchen mehr.
»Die Rezeption sagt, sie würden sich darum kümmern.«
»Das habe
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