Der Pakt - Rügen Thriller
verfüge. Wenn er also Zeit habe?
Simon hätte vermutlich sogar sein Studium abgebrochen, um mit ihr ein paar Tage in einem Strandhaus verbringen zu können. Juli gab ihm vierhundert Euro als Vorschuss, gegen Quittung und mit dem Hinweis, der Papierkram werde erledigt, sobald die Angelegenheit in Binz abgeschlossen sei. Außerdem kaufte sie ihm einen dunkelblauen Anzug von Hugo Boss und eine neue Brille.
»Anweisung vom Chef«, hatte sie gesagt. »Wir müssen uns in guten Restaurants und Hotels bewegen und dürfen nicht auffallen. Die Sachen gehen natürlich auf Kosten der Firma.«
Simon hatte nichts dagegen.
Der Auftrag, hatte Juli ihm erzählt, sei harmlos. Eine reiche, aber eifersüchtige Ehefrau habe sie mit der Überwachung ihres Mannes beauftragt.
Reine Routine.
Am Sonntag waren sie gemeinsam aufgebrochen, in einem silbernen Peugeot, den Juli in Hamburg gemietet hatte. Während der Fahrt erzählte Simon von seinem Studium an der Universität Hamburg und von seinem Vater, der als Chirurg in einer privaten Klinik arbeitete. Dank seiner großzügigen monatlichen Apanage musste sich Simon mit dem Studium nicht sonderlich beeilen. Den Job in Binz, so viel war klar, machte er nicht wegen des Geldes. Aber Juli setzte sowieso auf eine andere Triebkraft. Eine, die stärker war und damit auch größere Belastungsproben aus hielt. Einsätze wie dieser bargen stets Überraschungen. Sie wusste nicht, was sie ihrem Begleiter im Laufe der nächsten Tage alles zumuten musste.
Kurz nach fünfzehn Uhr hatten sie ihr Ziel erreicht.
Das holzvertäfelte Strandhaus im skandinavischen Stil lag keine hundert Meter vom Wasser entfernt. Neben Küche, Wohnraum und einem großen Bad besaß es im Obergeschoss auch zwei Schlafzimmer, ganz wie Juli gesagt hatte.
Inzwischen wohnten sie eine knappe Woche hier, und Simon hatte perfekt funktioniert. Sie hatte ihm vorgeschlagen, sich in der Öffentlichkeit sehr verliebt zu präsentieren, zärtliche Blicke und Händchenhalten inklusive. Nichts hätte ihm lieber sein können.
Natürlich musste sie ihn mit ein paar Scheinaufträgen betrauen, damit er an die Geschichte mit der Detektei glaubte. In einem großen Hotel an der Strandpromenade, dem Colonial, hatte sie ihm einen Anzugträger gezeigt, der mit einer jungen Blondine im Arm ins Restaurant ging.
»Das ist die Zielperson«, hatte sie Simon zugeflüstert. »Ein Unternehmer aus Hamburg. Elektronikbranche. Dieses Barbie püppchen an seiner Seite ist nicht seine Ehefrau, wie du dir denken kannst. Der hat er erzählt, er müsste geschäftlich nach Berlin. Dummerweise hat sie in seinen E-Mails eine Reservierungsbestätigung des Colonial gefunden.«
»Was beweist, dass man mit Passwörtern gar nicht vorsichtig genug sein kann«, hatte Simon gegrinst. Mit Juli an seiner Seite blühte er regelrecht auf. Plötzlich zeigte er so etwas wie Witz und Selbstbewusstsein. Juli war das nur recht, weil sie als Paar umso natürlicher wirkten, je gelöster und unbefangener er war.
Sie hatte Simon gebeten, der Zielperson nebst Begleitung während eines Spazierganges unauffällig zu folgen und Fotos zu machen. Heutzutage, wo jedes Handy über eine Kamera verfügte, war das ein Kinderspiel. Später ließ sie Simon im Restaurant des Colonial sitzen, in seinem neuen Anzug und hinter einem Laptop versteckt, um zu beobachten, ob die beiden dort aufkreuzten. Ein anderes Mal sollte er aufpassen, ob das Auto der Zielperson die Tiefgarage verließ. Simon war stets mit Feuereifer bei der Sache. Das gab Juli genügend Zeit, ihren Job im Windwood vorzuberei ten. Nachts war es sogar noch einfacher. Da Simon und sie in getrennten Zimmern schliefen, konnte sie jederzeit unbemerkt verschwinden. Er war nicht der Typ, der sein Glück herausforderte und plötzlich vor ihrer Tür stand, um sie zu verführen.
Simon riss sie aus ihren Gedanken. »Sag mal, hast du Lust auf einen Film«, fragte er und zeigte auf ein kleines Kino am Ende der Hauptstraße, das einem knallroten Hinweisschild zufolge erst vor wenigen Wochen eröffnet worden war. »Lass uns doch mal schauen, was die hier bringen.«
Juli seufzte unhörbar. Nein, sie hatte keine Lust auf einen Film. Nicht die geringste. Aber in Simon steckte eben auch ein Mann. Sie wusste, sie würde das Feuer, das in ihm flackerte, gelegentlich nähren müssen, wenn sie weiter auf ihn zählen wollte. Welchen Sinn hatte es, seine Hoffnungen vorzeitig zu zerstören?
Also spielte sie mit.
Eine Umarmung hier, ein Kuss auf die Wange
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