Der Pakt - Rügen Thriller
17. Juni 1953 erwischt worden. Das Bezirksgericht Schwerin verurteilte ihn wegen staatsfeindlicher Hetze und Propaganda sowie konterrevolutionärer Angriffe gegen die sozialistische Ordnung der DDR zu zwei Jahren Gefängnis. Fuchs verriet nie, dass er das Buch von Peter Rottmann bekommen hatte, auch wenn ihm das einige Stunden in der Dunkelzelle und etliche Monate Haft erspart hätte.
Nach der Wende, als Fuchs sich als Bauunternehmer versuchte, war es für ihn selbstredend kein Nachteil, dass sein Freund in Stralsund inzwischen an den Hebeln der Macht saß. Die JF Hoch- und Tiefbau GmbH kam bei städtischen Aufträgen erstaunlich oft zum Zuge. Es gab nie einen Hinweis auf Korruption oder irgendwelche unlauteren Machenschaften, obwohl bei der Staatsan waltschaft so manche anonyme Anzeige einging. Rottmann konnte seine Entscheidungen stets überzeugend begründen.
Leider genügte auch diese Protektion auf Dauer nicht, um die JF Hoch- und Tiefbau am Leben zu erhalten. Fuchs war zu sehr Ingenieur und zu wenig Kaufmann. Als er herausfand, dass sein Prokurist jahrelang in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte, stand ihm das Wasser schon bis zum Hals. Fuchs konnte seine Leute nicht mehr pünktlich bezahlen und geriet mit den Raten für Fahrzeuge und Maschinen in Verzug. Zuletzt hatten immer wieder Gerüchte über eine bevorstehende Pleite der Firma die Runde gemacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits wegen Insolvenzverschleppung.
Und nun kam auch noch der Brand hinzu.
Vor drei Wochen war in der pompösen Villa von Fuchs ein Feuer ausgebrochen. Der Gesamtschaden betrug 1,5 Millionen Euro. Fuchs lebte seit seiner Scheidung allein, und an dem Abend war er angeblich in Rostock im Theater gewesen. Er hatte sogar eine Eintrittskarte. Dummerweise konnte sich niemand daran erinnern, ihn dort gesehen zu haben.
Die Luft wurde dünn für Jürgen Fuchs. Für die Justiz war er längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Die Polizei hatte ihn in den vergangenen Jahren zweimal angetrunken am Steuer erwischt. Beim zweiten Mal hatte er einen am Straßenrand parkenden Bagger gerammt und eine Bewährungsstrafe kassiert. Wenn die Richter daran glaubten, dass er seine Villa angezündet hatte, um die Versicherungssumme zu kassieren, würden sie ihn diesmal vermutlich einsperren. Doch Fuchs wusste, dass er das nicht überstehen würde. Auf keinen Fall würde er noch einmal ins Gefängnis gehen.
»Wie viel?«, fragte Rottmann erneut.
Fuchs blies die Wagen auf. »Ich vermute, um die hunderttausend. Das Problem ist: Selbst wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, gibt es doch irgendwann eine Verhandlung. Und ein Urteil.«
Rottmann, der Pragmatiker, nickte. »Vielleicht lässt sich ja auch da eine Absprache treffen. Zwei Jahre mit Bewährung gegen ein umfassendes Geständnis. Soll ich mal mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft reden?«
Fuchs stippte seine Bratwurst in den Senf und biss ab. »Heikle Sache, findest du nicht? Für dich, meine ich.«
»Na ja, Axel Gruber sollte lieber nichts davon erfahren.« Rottmann lachte freudlos. Es klang wie ein kratzendes Bellen.
»Wie gut kennst du diesen Staatsanwalt?«
»Mast? So lala. Lions Club, Justizstammtisch, solche Gelegenheiten. Freunde sind wir nicht.«
»Und er schuldet dir auch keinen Gefallen?«
Der Oberbürgermeister schüttelte den Kopf.
Eine Weile schwiegen die beiden Männer, kauten, tranken und dachten nach. Rottmann griff nach dem letzten Stück seiner Bratwurst, schob es in den Mund und wischte sich die Finger an einer Papierserviette ab. »Am besten, du hältst erst mal weiter den Kopf unten«, sagte er zu Fuchs. »Ich werde ein paar Erkundigungen einziehen. Irgendeiner in Stralsund muss ja einen Draht zu Mast haben. Einer, bei dem ich noch was gut habe. Wir finden eine Lösung, Jürgen.«
Fuchs nickte, nun ein klein wenig zuversichtlicher. »Danke, Peter.«
21
Tino Rücker hatte sich extra rasiert für seine Verabredung. Eigent lich war es ja gar keine, jedenfalls keine richtige. Dennoch spürte er kribbelnde Vorfreude. Nach einem ausgiebigen Mittagessen im Castello hatte er lang und heiß geduscht, die Haare gewaschen und ein frisches Hemd angezogen. Dazu die neue blaue Cordhose, die er gestern in einem Tom-Taylor-Laden auf der Hauptstraße erworben hatte. Um fünf vor zwei stand er vor dem Windwood und freute sich, weil endlich einmal die Sonne schien. Der Schnee auf den Wegen glitzerte, und ein paar kleine Flöckchen wurden wie Puderzucker durch die Luft
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