Der Pakt - Rügen Thriller
antwortete nicht. Stattdessen öffnete sie die Hecktür des Toyotas und trat ein paar Schritte zurück. Unauffällig sah sie nach links und rechts. Sie waren mutterseelenallein. Zwar musste sie mit Fußgängern rechnen, die zum Schloss liefen. Aber die Ruine war weit genug vom Weg entfernt. Zudem schirmten die Bäume und Sträucher sie vor neugierigen Blicken ab. Langsam öffnete Juli den Reißverschluss ihres Overalls. Darunter kam ein schwarzer Fleecepullover zum Vorschein.
»Wenn ich es mir recht überlege, Tino, wirst du dir das Schloss doch nicht ansehen können.« Ihre Stimme hatte jetzt nichts Helles, Leichtes mehr, im Gegenteil, sie war kalt und geschäftlich.
Rücker blinzelte irritiert. »Was?« Mit dem natürlichen Instinkt eines Mannes vom Land erkannte er, dass ihm Gefahr drohte. Aber es war zu spät.
Juli griff unter ihren Overall und hielt plötzlich eine Pistole in der Hand, eine schwarze SIG Sauer mit Schalldämpfer. »Es tut mir leid, aber dein Urlaub ist zu Ende.« Mit diesen Worten feuerte sie zweimal.
Rücker taumelte nach hinten, stolperte und fiel in den Schneematsch, fassungsloses, ungläubiges Entsetzen in seinem Blick. Pfeifend und Blut hustend rang er nach Luft. Er konnte einfach nicht glauben, was hier gerade geschah. Was ihm gerade geschah.
Es war einfach … unbegreiflich. Er hatte doch niemandem etwas getan. Er kannte die Frau gar nicht, die da vor ihm stand, hatte sie bis gestern nie gesehen. Und sie konnte ihn nicht kennen. Konnte nicht wissen, dass er seit kurzem Millionär war. Und selbst wenn, würde es ihr nichts nützen. Er hatte keine hundert Euro bei sich.
Wieso? Wieso musste er sterben?
Juli beobachtete seinen Todeskampf, sah, wie er sich eine Hand auf die Brust drückte, dort, wo die Kugeln ihn getroffen hatten. Blut lief aus seinem Mund.
»Wieso?«, brachte er mühsam hervor.
Sie gab ihm keine Antwort. Was hätte sie ihm auch sagen sollen? Dass er einfach Pech gehabt hatte? Das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein?
Als Rücker tot war, steckte Juli die Pistole wieder ein. Sie überzeugte sich, dass noch immer niemand in der Nähe war. Dann machte sie sich ans Werk.
Mit einiger Anstrengung hievte sie den toten Rücker in den Laderaum des RAV4. Systematisch durchsuchte sie seine Taschen. In der Geldbörse fand sie das Objekt ihrer Begierde – die elegante weiße Magnetkarte mit dem Logo des Windwood. Die Brieftasche stopfte sie zurück in Rückers Anorak. Sie hatte nicht die Absicht, die spätere Identifizierung des Toten zu erschweren.
Juli zog einen luftdichten Sack aus Plastik über die Leiche, verschnürte ihn sorgfältig und bedeckte zum Schluss alles mit einer grauen Plane aus Zeltstoff. Zweimal vergewisserte sie sich, dass von außen nichts zu sehen war.
Während sie den Wagen startete, dachte sie nach. Es war kurz nach halb drei. Zu früh, um ins Hotel zu fahren. Sie wollte den späten Nachmittag abwarten, wenn in der Tiefgarage und in der Lobby etwas mehr Betrieb herrschte.
22
Manja hatte sich ihre Unterkunft zunächst einmal von außen angesehen, vom äußersten Ende der Seebrücke. Das Windwood war ein siebenstöckiger Granitblock mit großen Fenstern und einer beeindruckenden Spiegelglasfront im Erdgeschoss. Inmitten der durchweg kleineren Bäderarchitektur-Bauten an der Strandprome nade wirkte das Hotel kühl und auf majestätische Weise elegant. Hier gab es keine verspielten Rundbogen, keine geschweiften Giebel oder Türmchen mit Jugendstilornamenten. Stattdessen bestimmten klare Linien, Licht und natürliche Materialien wie Marmor, Schiefer und Palisanderholz die Szenerie.
Nachdem Manja ihr dreißig Quadratmeter großes Zimmer im dritten Stock bezogen hatte, widerstand sie der übermächtigen Versuchung, sich auf das breite Bett sinken zu lassen. Stattdessen fuhr sie mit einem der gläsernen Aufzüge in die Lobby. Sie schaute sich die drei Restaurants an, den Shop mit Zeitungen und Souvenirs und die Patisserie, in der nachmittags Torten und Kuchen angeboten wurden. Im zweiten Stock befand sich eine Meerwasserschwimmhalle, aber die wollte sie sich für später aufheben. Ebenso den Spa-Bereich und das Fitnessstudio, die in derselben Etage lagen.
Gegen vierzehn Uhr ging Manja ins Castello, um einen Teller Rigatoni mit Auberginen zu essen. Statt des ihr angebotenen Glases Chianti begnügte sie sich mit einem Wasser, ein zweiter Willenssieg an diesem Tag, auf den sie stolz war.
Zurück auf ihrem Zimmer, beschloss sie, Luisa
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