Der Pakt - Rügen Thriller
habe.
»Scheißfußball«, hatte sie betrübt hinzugefügt.
Der Barkeeper hatte verständnisvoll gegrinst.
Juli stellte das Glas ab und ging zu dem großen Panoramafenster, das sich über die gesamte Breite der Bar erstreckte. Während sie langsam daran entlangschlenderte, sah sie hinaus in die Dun kelheit. Vermutlich hatten viele Besucher hier das Gefühl, vor einer unvergänglichen Wand aus poliertem Onyx zu stehen, mit der seit Jahrtausenden immer gleichen Meeresbrandung im Ohr. Kein Wunder also, dass auch sie gänzlich gefesselt wirkte und vor lauter Faszination gar nicht bemerkte, wie sie sich immer weiter nach links bewegte, bis sie plötzlich mit der Hüfte gegen etwas Hartes stieß.
Es war die Lehne von Kerstin Grubers Stuhl.
Scheinbar beschämt, die angeregte Unterhaltung der beiden Frauen gestört zu haben, trat Juli zu ihnen. »Entschuldigen Sie bitte!«, sagte sie, leicht nach vorn gebeugt und die linke Hand auf den Tisch legend. »Jetzt wäre ich fast noch über Sie gestolpert. Aber ich bin zum ersten Mal hier oben und …«
»Das ging uns genauso«, sagte Nora Rottmann. »Man hat das Gefühl, zwischen Himmel und Erde zu schweben, nicht wahr?« Sie lachte und wies hinaus in die Dunkelheit. »Oder zwischen Himmel und Meer.«
»Es ist wirklich einzigartig«, fügte Kerstin hinzu. »Deshalb mögen wir diese Bar so sehr.«
Keine der Schwestern bemerkte, dass Juli mit der rechten Hand diskret einen selbsthaftenden Sender an der Unterseite des Tisches anbrachte. Was auch immer in den nächsten Minuten gesprochen wurde, sie würde es hören.
Normalerweise verzichtete sie darauf, einer Zielperson in Gegenwart Dritter persönlich gegenüberzutreten. Denn damit gab es Zeugen, die sie später beschreiben konnten. Juli mochte derartige Risiken nicht. Doch ihr Auftraggeber hatte ihr Vorgaben erteilt, die ein paar zusätzliche Wagnisse leider unvermeidlich machten.
»Aber nun möchte ich Sie nicht länger stören. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend!« Sie kehrte zu ihrem Glas an der Bar zurück. In ihrem Ohr steckte ein winziger drahtloser Empfänger. Aufgrund der geringen Entfernung war die Qualität der Übertragung hervorragend.
»… nicht glauben«, hörte sie eine Stimme. Dank des Spiegels hinter der Bar konnte sie sogar die Lippenbewegungen Nora Rottmanns verfolgen.
»Wenn ich es dir doch sage!« Das war Kerstin Grubers näselnder Tonfall. »Ich habe es ganz deutlich gehört. Wenn ich Sie den Parteimitgliedern empfehle, führt an Ihrer Nominierung kein Weg vorbei, Toni. Dann sitzen Sie schon im nächsten Herbst im Bundestag. «
»Toni? Toni Hillig? Seit wann hat er denn etwas mit Axel zu tun?« Nora kannte die politische Szene Stralsunds in all ihren Nuancen. Ungereimtheiten und Anomalien jedweder Art, Kontakte, gar Bündnisse zwischen Gegnern ließen sie hellhörig werden.
»Ich weiß es nicht.« Kerstin nahm einen Schluck von ihrem Bordeaux. »Eigentlich dachte ich immer, er und Peter …«
»Er ist praktisch wie ein Sohn für uns.« Nora schüttelte den Kopf. »Hast du Axel zur Rede gestellt?«
»Natürlich. Bis jetzt war nie die Rede davon, dass er sein Mandat aufgibt. Nicht mit einer Silbe hat er das erwähnt.«
»Und als du ihn …«
Kerstin winkte ab. »Ausgelacht hat er mich. Wie ich auf eine so dumme Idee käme. Seine Zeit in der Politik sei noch lange nicht um. Und wenn er sich irgendwann einmal zurückziehe, dann bestimmt nicht, um Peters Lakai zu einem Sitz im Bundestag zu verhelfen.«
»Das klingt schon eher nach dem Axel, den wir kennen und lieben«, sagte Nora trocken. »Vielleicht war es ja ein dummes Missverständnis.«
»Ich weiß, was ich gehört habe«, beharrte Kerstin. Im Spiegel sah Juli, wie sie zögerte, ehe sie fortfuhr. »Das Ganze hat mich misstrauisch gemacht. Axel fragt mich sonst alles Mögliche. Ob er Herrn X zu seinem Sommerfest einladen soll oder nicht. Ob er Frau Ministerin Y zum Geburtstag eine Karte schickt oder lieber anruft. Ob er beim Parteitag einen braunen Anzug trägt oder lieber einen grauen. Und jetzt plant er, seinen Job aufzugeben, ohne mir ein Sterbenswort zu sagen?«
»Wie gesagt, es könnte auch ein …«
»Als er letzte Woche nach Thailand geflogen ist, habe ich sein Arbeitszimmer durchsucht.«
»Wie bitte?« Nora starrte sie an. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
Kerstin Gruber lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Rotwein. »Du wirst überrascht sein.«
Nora seufzte. »Was hast du denn gefunden?«
»Zunächst
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