Der Pakt - Rügen Thriller
Nora wies auf das Papier. »Hast du dir mal das Datum angeschaut? Zehnter Februar.« Sie sah Kerstin an. »Unser Geburtstag, Schwesterherz. Jetzt ergibt das doch alles einen Sinn. Ich meine, dieser Flug und sein Rückzug aus der Politik. Vielleicht ist das sein Geschenk für dich. Du weißt schon, endlich mehr Zeit für euch beide. Und an deinem Ehrentag reist ihr beide nach Asien. Die zweiten Flitterwochen sozusagen. So viel Roman tik hätte ich Axel gar nicht zugetraut.«
»Und damit liegst du völlig richtig.« Kerstin faltete die Hände ineinander. »Siehst du vielleicht irgendwo meinen Namen auf diesem Ticket? Und kannst du dich erinnern, dass ich jemals davon gesprochen hätte, einmal nach Singapur zu wollen? Außerdem ist mir bei dem Datum etwas ganz anderes ins Auge gefallen.«
»Was denn?«
»Drei Tage vorher findet in unserem Wahlkreis die Nominierung für die Bundestagswahl im September statt. Wenn Axel da seinen Rückzug aus der Politik verkündet, würde es doch passen, wenn er sich anschließend einen Trip nach Asien gönnt. Er hat mir nicht gesagt, dass er aufhören will, und auch nichts von diesem Flug nach Singapur. Ich scheine in seinem Leben keine große Rolle mehr zu spielen.«
»Aber vielleicht …«
Kerstin schüttelte traurig den Kopf. »Nein, Nora. Bei uns beiden ist es nicht so wie bei Peter und dir. Axel und mich hat nie die große Liebe verbunden. Eigentlich«, sie schürzte die Lippen, »eigentlich sind wir nur ein gut eingespieltes Politikerpaar. Ich mime die fürsorgliche und sozial engagierte Ehefrau an der Seite des Herrn Abgeordneten. Das bringt Wählerstimmen und hilft Axel, sich sein Mandat zu sichern. Im Gegenzug partizipiere ich an seinen Einnahmen und der Ehrerbietung, die ihm entgegengebracht wird. Glaub es oder nicht, aber ich mag das Leben, das ich führe. Ich liebe es, mit Axel zur Wahl der Sanddornkönigin zu gehen und zum Sportlerball. Alle sind freundlich, wir haben die besten Plätze und amüsieren uns prächtig.«
Nora wollte etwas sagen, aber Kerstin hob die Hand.
»Natürlich ist das alles völlig belanglos. Aber ich will ja auch nicht die Welt verändern. Ich brauche kein Vorstandsbüro wie du. Ich bin glücklich mit dem, was ich habe. Doch jetzt sieht es so aus, als wenn Axel die ganze Sache von heute auf morgen beenden will. Dann bin ich die Exfrau eines Exabgeordneten. Also gar nichts mehr.« Tränen traten ihr in die Augen.
»Kerstin, hör auf!« Nora klang verärgert. »Du phantasierst dir hier etwas zusammen. Dieser Flug nach Singapur kann genauso gut mit Axels Mandat zu tun haben. Und das Gespräch mit Toni hast du vielleicht wirklich falsch verstanden. Ich meine, selbst wenn Axel irgendwann zurücktreten wollte, dann doch nicht für einen, der auf Peters Seite steht.«
Es sei denn, flüsterte ihr eine innere Stimme zu, derjenige hätte die Seiten gewechselt. Aber was weiß Toni, was für dich interes sant ist, Axel? Sie nahm sich vor, diesen Gedanken gleich nach ihrer Rückkehr mit Peter zu erörtern.
»Und dieser Anwalt aus Dresden?«, fragte Kerstin, wobei sie sich wenig damenhaft mit dem Handrücken die Nase abwischte. »Wieso treffen er und Axel sich heute in Thailand?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Nora unwirsch. »Aber auch dafür fallen mir tausend harmlose Erklärungen ein.«
»Vielleicht soll er ja die Scheidung einreichen.«
»Unsinn. Du hast doch selbst gesagt, dass er ein Steueranwalt ist, keiner für Familienrecht. Vielleicht hat Axel einfach nur Ärger mit dem Finanzamt und will dich damit nicht belasten. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass dieses Treffen mit Axels Mandat und seiner Reise nach Thailand zu tun hat. Pass auf, am Montag redest du mit ihm. Du wirst sehen, dass sich alles aufklärt.«
Nora war keineswegs überzeugt davon, aber Kerstin schien wieder etwas Hoffnung zu schöpfen. Sie atmete tief durch und legte ihre Hand auf die von Nora. »Danke.«
Ihre Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu. Den morgigen Massageterminen, dem Essen im Castello und Noras Sohn, der in München Architektur studierte.
Als die beiden Schwestern die Bar verlassen hatten, nahm Juli ihr Glas und setzte sich auf Noras Stuhl. Unauffällig zog sie den Sender wieder von der Tischunterkante ab und steckte ihn in die Tasche. Zehn Minuten später kehrte auch sie in ihr Zimmer zu rück. Sie ging sofort ins Bett. Morgen würde ein harter Tag werden.
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Bernhard Lieber wurde von Asbeck Security rund um die Uhr bewacht. Aber tagsüber, wenn er in
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