Der Pakt - Rügen Thriller
Oberstaatsanwalt«, erwiderte der Polizist. »Hier auf der B 96 nicht und auch nicht bei den anderen Kontrollposten. Wir haben jedes Fahrzeug, das aus der Stadt hinausfuhr, kontrolliert. Bisher ohne Erfolg.«
»Danke.« Mast legte auf und sah Schilling an. »Ich vermute, sie hat Stralsund längst verlassen. Unmittelbar nach dem Mord war genügend Zeit, um in den nächsten Zug zu steigen. Unseren Seat hat sie schließlich in Nähe des Bahnhofs abgestellt.«
Schilling wiegte zweifelnd den Kopf. »Aber nicht direkt am Bahnhof. Ich glaube nicht, dass sie einfach so verschwunden ist. Irgendetwas hat sie bei DRM gewollt. Und sie hat es noch nicht bekommen.«
»Dann lassen Sie uns danach suchen.« Manja Koeberlin stand in der Tür, in der Hand ein rotes Blatt Papier.
57
Schnell hatte Juli das Handy in die Schürzentasche zurückgleiten lassen. Sie vermutete, dass Bürstenschnitt der unerwartete Anrufer war. Und sie ahnte auch, worum es ihm ging. Wie identifiziert man eine Killerin, von der man nur eine Telefonnummer hat und weiß, dass sie demnächst ein bestimmtes Hotel verlassen wird? Man wartet, bis eine Frau auftaucht, die aufgrund bestimmter Indizien – Alter, Kleidung, Verhalten – als Kandidatin in Betracht kommt, folgt ihr und wählt die bekannte Nummer. Geht sie ans Telefon, hat man seine Zielperson.
So jedenfalls wäre sie vorgegangen.
Julis Hand fuhr in die andere Schürzentasche und schloss sich um den Griff der Beretta, während ihr Verstand damit beschäftigt war, dem Geschehen einen Sinn zu geben. Hatte Kirijenko die Telefonnummer preisgegeben? War der Mann hinter ihr ein Polizist? Juli hielt das für unwahrscheinlich. Nicht nur wegen seines Aussehens. Ein Polizist hätte nicht gewartet, bis sie Wendt erledigt hatte. Nein, der Bürstenschnitt musste zu Kirijenko gehören. Offenbar wollte ihr Klient sie enttarnen? Aber warum? Aus reiner Neugier? Um sich eine Art Absicherung zu verschaffen, indem er Fotos von ihr machen ließ? Oder um eine lästige Mitwisserin zu beseitigen? Und wieso folgte der Typ ihr auf derart auffällige Weise? Weil er ein Amateur war? Sie rief sich in Erinnerung, wie er vorhin in seinem Sessel gesessen hatte, lässig, teuer gekleidet, aber mit etwas Brutalem, Gewalttätigem in seinem Blick. Es sprach einiges dafür, dass es sich bei ihm um einen Gefolgsmann des Litauers handelte. Und der umgab sich nicht mit Amateuren. Nein, sie tat besser daran, Bürstenschnitt nicht zu unterschätzen. Vielleicht war er ein Lockvogel, der sie ablenken und dem wahren Angreifer Tarnung bieten sollte?
Vorsichtig wandte sie den Kopf. Von rechts kamen zwei Männer herangeschlendert, die wie Touristen aussahen. Khakihosen, leichte Windjacken, bequeme Schuhe. Trotz der Sonnenbrillen, die sie trugen, meinte Juli, auch in ihren Gesichtern etwas Slawisches zu erkennen. Der Kleinere, der einen auffallend kräftigen Kiefer hatte und einen Sommerhut trug, deutete auf eine Bank am Springbrunnen in der Mitte des Zwingers. Der andere nickte. Aber sie änderten ihre Richtung nicht, sondern verringerten in gleichmäßigem Tempo die Entfernung zu Juli. Ihr Instinkt sagte ihr, dass gewaltiger Ärger bevorstand. Sie spürte, wie sich ihre Bauchmuskeln zusammenzogen.
Wegen der Touristen um sie herum hatte sie bislang gezögert, die Beretta herauszuholen, aber jetzt war es unumgänglich. Ihre Hand mit der Waffe kam zum Vorschein, doch Sommerhut zeigte eine Schnelligkeit, die sie überraschte. Mit zwei großen Sätzen war er bei ihr. Sein Fuß krachte wie ein Vorschlaghammer gegen Julis Handgelenk. Die Pistole flog davon.
Juli schlug ihm das Standbein weg und feuerte ihren Ellbogen gegen seinen Kopf, hatte aber keine Zeit, die Beretta aufzuheben. Die sich ausbreitende Hitze in ihrem Körper sagte ihr, dass sie Bürstenschnitt ziemlich lange aus den Augen gelassen hatte. Ohne weiter zu überlegen, duckte sie sich nach links weg, keinen Mo ment zu früh, denn er wollte sich gerade von hinten auf sie stürzen . Er flog an ihr vorbei und landete auf dem roten Kies, aber seine Reaktion bewies, wie gut er ausgebildet war. Blitzschnell drehte er sich um und schlang den Arm um ihren rechten Fuß knöchel. Dann rammte er seine Schulter gegen ihr Schienbein. Juli ging hart zu Boden. Sie begriff, dass sie dabei war, böse ins Hintertreffen zu geraten. Ihr freies Bein schnellte gegen Bürstenschnitts Kopf. Sie rollte sich zur Seite und kam mit einem schwungvollen Kip-up, auf den ihr Trainer stolz gewesen wäre, wieder auf die
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