Der Pakt
er.
»Einen Stoff, der mit der Salpetersäure zu einer Glyzerinver-407
bindung nitriert – Zucker, Sägemehl, Schweinefett, Indigo, Kork, das sind alles leicht erhältliche nitrierbare Stoffe. Ein paar Granaten, ein bisschen Quecksilber und etwas Äthylalkohol, um einen verlässlichen Zünder zu bauen. Und einen Wecker und ein paar Batterien, mal angenommen, Sie wollen nicht direkt daneben stehen, wenn das Ding hochgeht.«
»Können Sie eine solche Bombe bauen?«
Schkwarzew spuckte aus und sagte dann grinsend:
»Kinderspiel.«
»Dann wäre das ja geregelt. Sobald wir einen neuen sicheren Unterschlupf haben, fangen Sie an, eine richtige Mordsbombe zu bauen.«
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MITTWOCH, 24. NOVEMBER 1943
–––––––––––––
KAIRO
IM ERSTEN LICHT der ägyptischen Morgendämmerung schlüpfte ich aus Elenas Bett und trat auf den Balkon hinaus.
Über das weiträumige Dächergewirr von Garden City hinweg konnte ich auf den Nil schauen, bis hin zu der Insel Zamalek und dem Gezira Sporting Club, wo wir erst vor ein paar Stunden gespeist hatte.
Der Gezira Club war wie aus Die vier Federn entsprungen, so steif, dass es wehtat, und es erstaunte mich, dass Elena ausgerechnet hierher gewollt hatte. Die ganze Szenerie wirkte wie das britische Empire in Aspik. Ein Quintett spielte langweilige britische Weisen. Rotgesichtige Männer schoben rosafarbene Frauen übers Parkett. Die einzig dunkelhäutigen Menschen waren die Männer mit den Silbertabletts oder mit Servietten überm Arm. Sooft mich Elena mit jemandem bekannt machte, stieg mir der durchdringende Geruch nach Snobismus in die Nase.
Es war nur ein Mensch da, den zu sehen mich freute. Nur leider ging Colonel Powell davon aus, dass ich darauf brannte, unsere philosophische Diskussion wieder aufzunehmen, und ich brauchte eine Weile, um ihn auf ein Thema zu lenken, das mich im Moment mehr interessierte.
»Kennen Sie einen polnischen Oberst namens Wladislaw Pulnarowicz?«, fragte ich.
Powell sah mich überrascht an. »Warum fragen Sie?«
»Ich habe ihn gestern Abend kennen gelernt«, sagte ich. »Bei einer Dinnerparty. Ich fürchte, ich habe es mir mit ihm verdorben.
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Und danach erst erfahren, dass er niemand ist, mit dem man sich anlegen sollte.«
»Das war auch mein Eindruck«, sagte Powell. »Ein Mann, der kein Pardon kennt. Darf ich fragen, ob Ihre Meinungsverschie-denheit mit Wladislaw Pulnarowicz mit Philosophie zu tun hatte?«
Da ich mir sagte, dass es wohl besser war, Powell gegenüber das Thema Philosophie gänzlich zu meiden, schüttelte ich den Kopf.
»Nein, es ging um die Meriten – respektive Untaten – der Sowjetunion. Der Oberst hat ein sehr finsteres Bild von den Russen. Und insbesondere von Stalin. Ich glaube, Pulnarowicz sieht in Stalin so eine Art modernen Herodot. Den ›Vater der Lügen‹ nannte er ihn, glaube ich.«
Powell lächelte schmallippig.
»Falls Sie befürchten, der Oberst könnte Ihnen ans Leder wollen, kann ich Sie in dieser Hinsicht beruhigen.
Bedauerlicherweise ist Oberst Wladislaw Pulnarowicz heute am späten Nachmittag ums Leben gekommen. Das Flugzeug, in dem er saß, wurde irgendwo über dem nördlichen Mittelmeer abgeschossen. Er war in geheimer Mission unterwegs, Sie verstehen. Daher ist es mir leider nicht möglich, Ihnen mehr zu sagen.«
Ich stieß eine Mischung aus Erleichterungsseufzer und Überraschungslaut aus. Und bekam einen Moment lang gar nicht mit, dass Powell bereits wieder das Thema gewechselt hatte und meine Sicht Herodots anzweifelte.
»Herodot macht nur die Fehler, die fast alle Historiker machen«, sagte er. »Nämlich, dass er nicht dabei war und sich auf unverlässliche Quellen stützt. Wenn dieser Krieg vorbei ist, was glauben Sie, wie interessant es dann sein wird, all die Lügen darüber zu lesen, wer was wann und warum getan hat und was geschehen ist und was nicht? Gott kann zwar die Vergangenheit 410
nicht ändern, aber die Historiker können es und erfüllen insofern eine nützliche Funktion. Was Gott bewogen haben mag, ihre Existenz zu dulden.«
»Mag sein«, sagte ich vage.
Powell schien zu bemerken, wie sehr mich Pulnarowicz’ Tod erleichterte, und kam wieder auf dieses Thema zurück.
»Wladislaw Pulnarowicz war ein guter Soldat«, sagte er. »Aber er war kein guter Mensch. Es liegt nun mal in der Natur der Krieges, dass wir manchmal mit ziemlich seltsamen Bettgenossen aufwachen.«
Auf Elenas Schlafzimmerbalkon rauchte ich meine Zigarette zu Ende und dachte, dass
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