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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Powell wahrer gesprochen hatte, als ihm vermutlich bewusst gewesen war. Meine gegenwärtige Bettgenossin war womöglich eine deutsche Spionin. Ich musste herausfinden, ob mein Verdacht begründet war. Sie schlief immer noch tief und fest, also ging ich hinein und schlich dann aus dem Schlafzimmer. Ich wusste nicht genau, was ich suchte, war mir aber sicher, dass ich es erkennen würde, wenn ich es fand.
    Auf der geschwungenen Marmortreppe legte ich die Hand auf das schmiedeeiserne Geländer und spähte in die Eingangshalle hinunter. Bis auf das Ticken einer Standuhr und das Bellen eines streunenden Hundes irgendwo draußen auf der Straße war es so still wie in einem Mausoleum.
    Am Ende eines langen Flurs ging ich durch eine Tür und stieß auf eine Treppe hinab zu einer Waschküche, einem mit erlesenen Jahrgängen bestückten Weinkeller und mehreren Kellerräumen, in denen vor allem alte Gemälde lagerten. Da waren ein, zwei Bilder, die ich aus Elenas Haus in Berlin kannte, und diverse verstaubte Biedermeiermöbel.
    Ich schlich wieder hinauf ins Obergeschoss und vergewisserte mich, dass Elena noch schlief, ehe ich die Türen zu anderen 411

    Räumen öffnete. Hinter einer Doppeltür fand ich eine Steintreppe und an deren oberem Ende eine weitere Tür, die in eine Art komplettes Apartment führte: Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, Bad und Bibliothek. Da war sogar so etwas wie ein Turm mit vergitterten Fenstern. Genau der richtige Ort, um den einen oder anderen wahnsinnigen Prinzen einzusperren.
    Als ich gerade die Suche abbrechen und wieder ins Schlafzimmer zurückkehren wollte, sprang mir ein Buch in einem der Regale in Auge. Es war mein eigenes Werk, Der empirische Mensch, und als ich es aufschlug, fand ich es zu meinem Erstaunen aufs Gründlichste mit Notizen versehen. Die Notizen selbst konnte ich nicht verstehen, weil sie auf Polnisch waren, aber ich erkannte Elenas Schrift. Aber sie hatte doch mir gegenüber so getan, als hätte sie kein Wort davon verstanden!
    Das bewies allerdings nur, dass sie vermutlich wesentlich gescheiter war, als ich gedacht hatte.
    Dann jedoch bemerkte ich eine bogenförmige Abnutzungsspur auf dem Teppich, von der vorderen Ecke des Regals in Richtung angrenzende Wand, so als würde das Regal regelmäßig verschoben. Ich fasste das Regal an der Seitenwand, zog leicht daran und, siehe da, es war zugleich eine Tür.
    Als ich in das Dunkel hinter dem Bücherregal trat, fiel mir der Geruch auf. Es war der gleiche Geruch, den ich am Vortag im Wohnzimmer wahrgenommen hatte. Amerikanische Zigaretten, Old Spice und Brillantine. Ich ertastete einen Lichtschalter und sah einen etwa drei mal drei Meter großen Raum. Darin befanden sich ein Stuhl und ein Tisch, auf dem eine Lampe und ein deutsches Funkgerät standen. Das Funkgerät erkannte ich sofort, denn es war eins der ersten Dinge gewesen, die sie uns bei der OSS-Schulung am Catoctin Mountain gezeigt hatten.
    Einer der acht deutschen Agenten, die im Juli 1942 auf Long Island verhaftet worden waren, hatte ein solches Funkgerät besessen. Es war das Standardgerät der Abwehr, ein SE 100/11, dessen Bedienungselemente zur Tarnung allesamt englisch 412

    beschriftet waren. Das mochte ja vielleicht Zivilisten täuschen, aber niemanden, der vom Fach war. Zu Hause in den Staaten genügte schon ein Sender/Empfänger, um den Besitzer auf den elektrischen Stuhl zu bringen.
    Auf dem Tisch, vor dem Funkgerät, lag eine kleine, automatische Walther PPK. Sie schien zu signalisieren, dass Elena es ernst meinte. Falls es denn ihre Pistole war. Der maskuline Duft im Raum deutete darauf hin, dass sie außer Major Reichleitner noch einen Bundesgenossen hatte. Ich nahm die Pistole vom Tisch, drehte sie um und warf das Magazin aus dem Plastikgriff aus. Die Waffe war geladen, das hatte ich nicht anders erwartet. Ich schob das Magazin wieder hinein und legte die Pistole zurück auf den Tisch.
    Ich schlich zum oberen Ende der Steintreppe, um mich kurz zu vergewissern, dass meine geheime Mission noch nicht entdeckt worden war. Und in diesem Moment hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich blieb ein paar Minuten dort stehen, kam dann aber zu dem Schluss, dass ich mir das Ganze nur eingebildet hatte, und ging wieder in den versteckten Funkraum.
    Ich setzte mich auf den Stuhl, langte unter den Tisch und zog einen Metallpapierkorb zu mir. Er war voller Papier. Ich klemmte ihn zwischen die nackten Oberschenkel und begann, den Inhalt zu inspizieren. Es zeugte von

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