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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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aufgestapelt auf dem Tisch liegen.
    Die Dechiffrierung war abgeschlossen.
    »Jetzt ist mir alles klar«, sagte Reichleitner. Er lächelte mich an, auf eine hochmütige Art, die mich nach allem, was ich für ihn getan hatte, ziemlich verärgerte.
    »Warum haben Sie nicht versucht, es jemandem zu sagen?«
    »Glauben Sie nicht, ich würde es nicht tun. Aber ich wollte zuerst mit Ihnen reden. Ihnen sagen, was ich für mein Schweigen verlange.«
    »Und was wäre das?« Ich lächelte, fast schon amüsiert von seiner kleinen Show.
    »Dass Sie mir bei der Flucht helfen.«
    Jetzt lachte ich. »Da greifen Sie aber ein bisschen vor, Major.
    Schließlich muss ich ja erst mal erfahren, was Sie zu wissen glauben und woher Sie es zu wissen glauben. Karten auf den Tisch. Danach können wir vielleicht ein Geschäft machen.«
    »Gut. Wenn Sie das Spiel so spielen wollen«, sagte Reichleitner achselzuckend und nahm die Papiere vom Tisch.
    »Das hier nennen die Russen ›offene Verpackung‹«, sagte er.
    »Es ist zwar dechiffriert, aber die Verwendung bestimmter Codewörter macht es dem Laien immer noch schwer, etwas zu verstehen. Es liest sich wie Klartext, ist aber keiner. Bitte beachten Sie das Datum dieser Nachricht hier. 8. Oktober. Die Nachricht bezieht sich auf ein Treffen, das in London stattfand.«
    Ich nickte, ziemlich sicher, dass ich wusste, um welches Treffen es ging.
    »LEO berichtet in seinem letzten GEPÄCK von einem FRÜH-STÜCK in GLADSTONE mit einem 26, der, wie wir inzwischen wissen, im Jahr 1937 in TROJA als NOVATOR für SPARTA tätig war. Deckname KRÖSUS. VERSAILLES
    416

    schlägt mindestens Beobachtungsauftrag vor, da KRÖSUS jetzt für ORVILLE und in spezieller Funktion für BRIEFMARKE
    arbeitet und möglicherweise TORNISTER liefern könnte. Bei jedem weiteren FRÜHSTÜCK sollten Sie die verzweifelte Lage in SPARTA hervorheben und, wenn alles andere nicht fruchtet, KRÖSUS erklären, dass wir gezwungen sein könnten, die Frage seines 43 zu erwägen.«
    Reichleitner lächelte. »LEO ist der Name eines Agenten«, sagte er. »Und FRÜHSTÜCK ist natürlich ein Treffen.
    GLADSTONE ist London. Ein 26 ist ein potenzieller Anwerbungskandidat für das NKWD. Ein NOVATOR ist ein bereits aktiver NKWD-Agent. SPARTA steht für Sowjetrussland und TROJA für das Großdeutsche Reich.
    KRÖSUS sind Sie, vermute ich, weil Sie sowohl für ORVILLE – Donovan, würde ich sagen – als auch für BRIEFMARKE arbeiten – das ist Roosevelt, das weiß ich.
    TORNISTER ist eine Information, aus der sich etwas Wichtigeres ergeben könnte. 43 heißt letzter Wille, Testament.«
    »Das mit dem Testament müsste Ihnen doch etwas sagen, Major.«
    »Nicht so viel wie die Tatsache, dass Sie früher mal NOVATOR für SPARTA waren.«
    »›Früher mal‹ ist das Entscheidende. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass Sie auch nicht mehr der begeisterte Nazi sind, der sie 1933 waren. Sehen Sie, 1938 war ich Dozent an der Berliner Universität, und gelegentlich traf ich mit Dr. Goebbels zusammen. Ich kam zu dem Schluss, dass ich wohl am ehesten etwas gegen das Naziregime tun konnte, indem ich Informationen, die mir zufällig zuteil wurden, an die Russen weitergab. Aber das war alles vorbei, als ich Deutschland verließ und in die Staaten zurückkehrte.
    Vor ein paar Wochen dann, als ich in London war, um im Auftrag des Präsidenten für einen Bericht über das Katyn-417

    Massaker zu recherchieren, begegnete ich jemandem, den ich aus meiner Zeit in Wien kannte. Einem Engländer, der damals ebenfalls Kommunist war und inzwischen für den britischen Geheimdienst arbeitet. Und nach dem, was Sie mir eben vorgelesen haben, wohl auch für den russischen. Wir sprachen über die alten Zeiten, und das war’s. Dachte ich jedenfalls, bis mir General Donovan von diesen abgefangenen Funktelegrammen und den Codeschlüsseln erzählte. Natürlich wollte ich wissen, ob ich damit rechnen muss, dass das NKWD
    den Kontakt zu reaktivieren versucht. Ich vermute, sie haben es nur deshalb noch nicht getan, weil ich Washington am 12.
    November verlassen habe. Ich glaube, sie hatten einfach nicht mehr die Zeit.
    Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass das alles sehr peinlich für mich wäre, wenn Donovan und der Präsident es erführen.
    Peinlich und vielleicht sogar kompromittierend. Ich müsste wahrscheinlich den Dienst beim OSS quittieren. Aber ich glaube nicht, dass ich für etwas, was ich getan habe, ehe die Vereinigten Staaten mit Deutschland im Krieg standen,

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