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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die Füße. »Und schalten Sie die Briten und die Amerikaner ein. Die Zeiten, in denen wir so etwas hätten für uns behalten können, sind vorbei. Aber erwähnen Sie um Himmels willen mit keinem Wort, dass die meisten dieser Terroristen aus der Ukraine sind. Es sind SS-Leute. Haben Sie das verstanden? SS-Leute. Und somit Deutsche. Kapiert?«
    »Jawohl, Genosse Berija.«
    »Und jetzt verschwinden Sie und tun Sie Ihre Arbeit, ehe ich Sie erschießen lasse.«
    Melamed gab die Verhaftungsbefehle an Wertinskij weiter, rief dann in der britischen Gesandtschaft an und verlangte Colonel Spencer, den britischen Sicherheitschef in Teheran. Es war das zweite Mal, dass die beiden über die deutschen Fallschirmagenten sprachen. Beim ersten Gespräch hatte Melamed Colonel Spencer versichert, die Sache sei im Keim erstickt worden, und sämtliche SS-Leute seien tot oder in sicherem Gewahrsam. Jetzt musste er Spencer mitteilen, dass doch noch ein paar frei herumliefen. Spencer bot sofort 170
    britische Kriminalbeamte und MPs zur Unterstützung der Suche an. Melamed akzeptierte das Angebot und schlug vor, dass die Briten ihre Suche auf die Abassi Street konzentrieren sollten.
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    Dann rief Melamed in Schwarzkopfs Büro an und sprach mit Colonel L. Steven Timmermann, der ihm jede nur mögliche Unterstützung zusicherte und ein Team von amerikanischen MPs zur Durchsuchung des Basars abstellte. Jetzt wurde ganz Teheran, vom Gale-Morghe-Flughafen im Süden bis nach Kulhek im Norden, von alliierten Truppen durchsucht. Melamed wandte sich also der Sache mit den Plakaten zu. Als auch diese hingen, galt es mit Telefonanrufen verschiedener Suchtrupps zu verfahren. Und so kam er nur ganz allmählich ins Grübeln darüber, warum die Deutschen eigentlich ihren eigenen Attentatsplan Berija persönlich verraten hatten und welch seltsame Vorbereitungen noch immer unter der Aufsicht von Berijas Sohn Sergo auf dem Gelände der Winterbotschaft im Gange waren.
    Stalin wohnte nicht im Hauptgebäude der kürzlich renovierten Botschaft, sondern in einer der Dependancen auf dem Gelände des einstigen Luxusanwesens eines reichen persischen Geschäftsmannes. Bis zur Konferenz der Großen Drei hatten diese Nebengebäude und Villen leer gestanden. Seit zwei Wochen durchkämmte Zoja Zarubina, die Stieftochter des NKWD-Generals Leonid Eltingen, die Teheraner Läden nach Teppichen und Möbeln. Neue Bäder waren schon eingebaut worden. In einer der Villen war sogar ein Stalin-Bild durch ein Beethoven-Porträt ersetzt worden. Nicht minder bemerkenswert war Melamed die Entscheidung erschienen, einen großen unterirdischen Bunker wieder betriebsbereit zu machen und die Geheimgänge, die das Hauptgebäude mit einigen der Villen verbanden, trockenzulegen und neu zu streichen. Immerhin wurde Teheran von einem Dutzend russischer und britischer Jägerstaffeln geschützt. Ein Luftangriff, wie ihn der SS-General plante, der die deutschen Fallschirmagenten geschickt hatte, wäre reiner Selbstmord. Dass Stalin hier in Teheran einen Luftschutzbunker brauchen würde, dachte Melamed, war 454

    ungefähr so wahrscheinlich, wie dass Berija den geistlichen Beistand eines russisch-orthodoxen Priesters suchen würde.
    Bis zum späten Nachmittag waren noch weitere SS-Fallschirmagenten gefasst worden. Nach Melameds Rechnung fehlten jetzt nur noch drei Männer, darunter zwei Deutsche. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde Melamed darüber informiert, dass einige Gäste bereits an diesem Abend auf dem Gale-Morghe-Flughafen eintreffen würden. Wer das war, wurde ihm allerdings nicht mitgeteilt. Die Gäste wurden von Berija persönlich empfangen und dann unter strikter Geheimhaltung nicht etwa in die britische oder amerikanische Botschaft, sondern auf das russische Botschaftsgelände gebracht. Melamed rätselte, wem aus dem Kreml dieselbe Wichtigkeits- und Sicherheitsstufe zuerkannt wurde wie dem Genossen Stalin selbst. Molotow? Stalins Tochter Swetlana? Sein Sohn Wassilij?
    Stalins Geliebte vielleicht?
    Doch die wohl seltsamste Entdeckung dieses Tages machte Melamed kurz vor Mitternacht, als er, eingedenk Berijas Drohung, ihn zu erschießen, noch einen Rundgang um die Winterbotschaft machte und zu seiner Verblüffung feststellte, dass einer der NKWD-Offiziere, die, ein Degtijarew-Handfeuermaschinengewehr in der Armbeuge, bei den Toren auf und ab patrouillierten, Lawrentij Berija selbst war.
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    SAMSTAG, 27. NOVEMBER 1943
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    KAIRO
    ICH VERBRACHTE

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