Der Pakt
Ozean von dem Zeug. Deshalb hat sich der Präsident überhaupt bereit erklärt, dorthin zu kommen.«
Ich hatte inzwischen den starken Verdacht, dass ich ohne meine Deutschkenntnisse noch immer in einer Kairoer Gefängniszelle säße. Und doch war Hopkins Geschichte irgendwie nicht ganz schlüssig.
»Aber, bei allem Respekt, Sir, wäre es da nicht besser gewesen, jemanden mitzunehmen, der Farsi spricht?« Als Hopkins mich verdutzt ansah, erklärte ich: »So heißt die moderne persische Sprache auf Persisch, Sir.«
»Leichter gesagt als getan. Nicht mal Dreyfus, unser Botschafter in Teheran, spricht das dortige Idiom. Ungarisch und ein wenig Französisch, ja, aber kein Farsi. Unser Außenministerium ist leider sprachlich nicht so ganz auf der Höhe. Wie sonst auch.«
Ich sah mich um. John Weitz, der Russischspezialist des Außenministeriums und Bohlens Ersatzmann, saß direkt hinter 461
mir. Er hatte Hopkins Bemerkung ganz offensichtlich gehört und hob mit ostentativer diplomatischer Langmut die Augenbrauen. Kurz darauf stand er auf und ging nach hinten in die winzige Bordtoilette. Indessen schauten der Präsident, sein Sohn Elliott, Mike Reilly, Averell Harriman, Agent Pawlikowski und die Mitglieder des Vereinigten Generalstabs aus ihrem jeweiligen Fenster, denn wir überflogen in diesem Moment bei Ismailia den Suez-Kanal.
»Wo wir gerade offen reden, Sir«, nutzte ich Weitz’
Abwesenheit, »ich glaube immer noch, dass wir einen deutschen Spion in unserer Delegation haben. Einen Mann, der inzwischen zwei Morde begangen hat. Wenn nicht noch mehr. Ich bin der festen Überzeugung, dass jemand unter uns ein Attentat auf Josef Stalin plant.«
Hopkins hörte mir geduldig zu und nickte dann. »Professor, ich weiß nun mal, dass Sie sich irren. Und Sie müssen sich mit meinem Wort begnügen, denn ich kann es Ihnen leider nicht näher erklären. Noch nicht. Aber ich weiß, dass das, was Sie sagen, ganz ausgeschlossen ist. Wenn wir am Boden sind, können wir noch mal darüber reden. Bis dahin wäre es gut, Sie würden diese Theorie einfach ad acta legen. Haben Sie mich verstanden?«
Wir überquerten Jerusalem und Bagdad, wo wir den Tigris kreuzten, folgten der Bahnstrecke Basrah-Teheran und hielten dann von Ramadan auf Teheran zu, alles in maximal zweitausend Meter Höhe, um Roosevelt und Hopkins physisch nicht zu sehr zu belasten. Für den Piloten allerdings musste es eine ganz schöne Herausforderung sein, mit der großen C-54
Gebirgspässen zu folgen, statt die Berge einfach zu überfliegen.
Es war fünfzehn Uhr, als endlich der Flughafen Ghale Morghe in Sicht kam. Auf dem Flughafen standen Dutzende amerikanischer B-25, die jetzt den roten Sowjet-Stern trugen.
462
»Meine Güte, was für ein Anblick«, scherzte Roosevelt.
»Unsere Maschinen in russischer Uniform. So wird es wohl aussehen, wenn die Roten je die Vereinigten Staaten erobern sollten, was, Mike?«
»Sie anzumalen, ist eine Sache«, sagte Reilly. »Sie zu fliegen, eine ganz andere. Als ich das letzte Mal in diesem verflixten Land war, habe ich gelernt, dass wer einen Flug mit einem russischen Piloten überlebt, auf dieser Welt gar nichts mehr fürchtet.«
»Aber Sie wissen doch, Mike«, sagte Roosevelt lachend,
»meine Sicherheit ist Ihrer umgekehrt proportional.«
Wir gingen in den Landeanflug, unter uns ein Schachbrett aus Reisfeldern, die durch Schlammwälle voneinander getrennt waren.
Eine Militäreskorte unter der Führung von General Connolly brachte Roosevelt und sein Gefolge zur amerikanischen Botschaft im Norden der Stadt. Ich fuhr mit dem Vereinigten Generalstab, Harriman, Bohlen und einigen Secret-Service-Leuten in unser Quartier in Camp Amirabad.
Amirabad war ein noch im Bau befindlicher Army-Stützpunkt, aber es gab hier bereits Backsteinkasernen, ein Krankenhaus, ein Kino, mehrere Geschäfte, Bürogebäude, Lagerhäuser und Freizeiteinrichtungen. Es sah aus wie irgendein Army-Stützpunkt in New Mexico oder Arizona und wirkte wie ein Indiz dafür, dass die Präsenz der Amerikaner in Teheran nicht nur vorübergehend gedacht war.
Sobald die Generalstabsmitglieder, Bohlen und ich uns umgezogen hatten, wurden wir von einem Konvoi aus Jeeps, Limousinen und Motorrädern zur amerikanischen Botschaft gebracht, wo die Agenten Rauff und Qualter bereits auf der Veranda Wachposten bezogen hatten. Ich nickte den beiden zu.
Zu meinem Erstaunen nickten sie zurück.
463
»Haben Sie mal eine Zigarette?«, fragte ich Qualter. »Muss meine
Weitere Kostenlose Bücher