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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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drei ungemütliche Nächte in einer Zelle unter dem Polizeirevier in der Kairoer Zitadelle. Es gab in der Geschichte eine ganze Reihe Philosophen, die im Gefängnis gesessen hatten: Zeno, Sokrates, Roger Bacon, Hugo Grotius und Dick Tracys Bruder Destult. Aber von denen war natürlich keiner des Mordes beschuldigt worden. Nicht mal Aristoteles, der, wie Bacon witzelte, nach Art eines morgenländischen Despoten seine Rivalen strangulierte, um in Ruhe zu herrschen.
    Philosophenwitze sind so richtig zum Schenkelklopfen.
    Dass ich die Gelegenheit verpasste, Teheran zu sehen, grämte mich wenig. Nach allem, was ich über diese Stadt gehört hatte –
    über das Wasser, die nazifreundlichen Iraner, die hochmütige Kolonialherrschaft, die die Briten und die Russen in dem Land ausübten – war ich ganz froh, nicht dorthin zu müssen. Ich wollte jetzt nichts weiter, als dieser Mordanklage zu entgehen und nach Washington zurückzukehren. Dann würde ich das OSS
    verlassen, das Haus in Kalorama Heights verkaufen und wieder nach Harvard oder Princeton gehen. Wo immer man mich haben wollte. Ich würde ein neues Buch schreiben. Die Wahrheit schien mir ein interessantes Thema zu sein. Vorausgesetzt, ich konnte genau bestimmen, was Wahrheit war. Vielleicht, dachte ich, würde ich sogar noch einmal einen Brief an Diana schreiben, eine wesentlich schwierigere Aufgabe, als ein Buch über die Wahrheit zu verfassen.
    Am vierten Tag meines Urlaubsaufenthaltes in der Zitadelle erwachte ich frühmorgens und sah Mike Reilly in meiner Zelle stehen. Trotz seines cremefarbenen Tropenanzugs entsprach er wohl kaum irgendjemandes Vorstellung vom Engel des Herrn.
    456

    »Hat Sie das Mädchen reingelassen?« Ich schüttelte schlaftrunken den Kopf. »Wie spät ist es?«
    »Zeit zum Aufstehen«, sagte Reilly ruhig und reichte mir einen Becher Kaffee. »Hier. Trinken Sie das.«
    »Riecht fast wie Kaffee. Wie machen Sie ihn?«
    »Mit einem Schuss Brandy. Draußen im Wagen ist noch mehr.
    Brandy, meine ich. Genau das Richtige, um den Magen für einen langen Flug zu stählen.«
    »Wo fliegen wir hin?«
    »Teheran, wohin sonst?«
    »Teheran? Soll ja ein mieses Nest sein.«
    »Ist es auch. Deshalb wollen wir Sie ja dabeihaben.«
    »Und die Briten?«
    »Die kommen auch hin.«
    »Ich meine die Polizei.«
    »Harry Hopkins hat die letzten sechsunddreißig Stunden damit verbracht, Strippen für Sie zu ziehen«, sagte Reilly. »Offenbar halten er und der Präsident Ihre Anwesenheit in Teheran für absolut unerlässlich.« Er schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. »Fragen Sie mich nicht, warum. Ich habe keine Ahnung.«
    »Meine Sachen aus dem Hotel …«
    »Sind draußen im Wagen. Sie können sich in einem Raum oben waschen, rasieren und umziehen.«
    »Und die Mordanklage?«
    »Fallen gelassen.« Reilly gab mir meine Armbanduhr. »Hier.
    Hab sie sogar für Sie aufgezogen.«
    Ich sah auf die Uhr. Es war halb sechs. »Wann geht unser Flug?«
    »Halb sieben.«
    457

    »Dann haben wir ja noch Zeit, in Grey Pillars vorbeizu-schauen.«
    Reilly schüttelte den Kopf.
    »Reilly, Mann, wir müssen doch über den Nil, um zum Flughafen zu kommen. Also liegt Garden City auf dem Weg.
    Mehr oder weniger.« Ich sah wieder zu dem vergitterten Fenster empor. Der frühmorgendliche Himmel draußen hatte nichts von dem üblichen leuchtenden Orange. »Außerdem haben wir Nebel, ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Würde mich sehr überraschen, wenn wir pünktlich starten.«
    »Ich habe Anweisung, Sie zum Flughafen zu bringen, Professor Mayer. Um jeden Preis.«
    »Gut. Das vereinfacht es für uns beide. Wenn wir nicht erst noch nach Grey Pillars fahren, komme ich nicht mit nach Teheran.«
    Grey Pillars lag nur zwei Meilen westlich der Zitadelle. Mit der offiziellen Limousine waren wir binnen weniger Minuten dort. Das britische Militärhauptquartier hatte immer geöffnet.
    Frisch geduscht und rasiert und in den sauberen Sachen, die mir Reilly aus dem Shepheard mitgebracht hatte, gelangte ich problemlos zu den Zellen im Kellergeschoss. Corporal Armfields Dienst ging gerade zu Ende.
    »Ich möchte zu Major Reichleitner«, erklärte ich dem verwirrten Corporal.
    »Aber der ist weg, Sir. Letzte Nacht zu einem Kriegsgefangenentransport gebracht worden. Auf Befehl von Major Deakin. Der war hier, mit Ihrem General Donovan, Sir, und wollte etwas wegen irgendwelcher Codeschlüssel wissen.
    Reichleitner hat Ihrem General Donovan erklärt, er habe sie verbrannt, worauf der

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