Der Pakt
irgendwo vergessen haben.«
»Im Gefängnis vielleicht?«, sagte Qualter grienend, zog ein Päckchen Zigaretten hervor und klopfte mir eine heraus. »Sind aber mit Menthol, stört Sie das?«
»Nein«, sagte ich und registrierte rasch die Marke. »Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich diese Frau erschossen habe, oder?«
Was er glaubte, war mir ziemlich schnuppe, ich wollte nur das Gespräch in Gang halten. Mich interessierte viel mehr, dass er Kool rauchte.
Qualter gab mir Feuer und sagte achselzuckend: »Kommt mir nicht zu, irgendwas zu denken, was nicht den Boss und seine Sicherheit betrifft. Verdammich, ich weiß nicht, Professor. Wie ein Mörder sehen Sie nicht gerade aus, das stimmt schon. Aber Sie sehen ja auch nicht wie ein Geheimagent aus.«
»Ich nehme das mal als Kompliment.« Ich sah an Qualters einreihigem Jackett hinab und zählte die Knöpfe. Drei Stück, wie vorgesehen. »Jedenfalls vielen Dank für die Zigarette.«
»Schon gut.« Qualter grinste. »Sind nicht meine.«
»Ach? Wessen dann?«
Aber Qualter hatte sich schon abgewandt, um den Generalstabschefs die Tür zu öffnen. Ich folgte ihnen hinein, über eine Holzrampe, die die Army-Zimmerleute gebaut hatten, damit Roosevelt leichter hinein- und hinauskam. Aber offenbar stellte die Rampe die amerikanische Delegation auch vor ein Problem.
Im Salon wünschte Roosevelt einen Drink, und Botschafter Dreyfus sah sich zu der Erklärung gezwungen, man habe die Rampe leider über den einzigen Zugang zum Weinkeller der Botschaft gelegt. Er habe sich vom britischen Botschafter, Sir 464
Reader Bullard, acht Flaschen Scotch ausborgen müssen. Reilly hörte Dreyfus höflich zu und lotste ihn dann zur Tür.
»Du lieber Himmel«, sagte Roosevelt, als Dreyfus draußen war.
»Scotch. Was ist mit Gin? Und Wermut? Mike? Wie soll ich einen verflixten Martini mixen, ohne Gin und Wermut?«
Reilly gab Pawlikowksi ein Zeichen, worauf dieser ebenfalls hinausging, vermutlich, um Gin und Wermut aufzutreiben.
»Setzen Sie sich, meine Herren«, sagte Hopkins.
Ich ließ mich neben Chip Bohlen nieder, sodass ich dem Präsidenten, Hopkins, den Admirälen King und Leahy und Botschafter Harriman gegenübersaß. Harriman hatte ich bisher noch nie aus der Nähe gesehen. Er war groß, mit vorspringendem Kinn und Lachfalten, die an einen Clown ohne Schminke erinnerten. Er hatte dunkles Haar, dicke, buschige Augenbrauen und eine Stirn, so hoch wie die Grand Central Station. Sein Vater war ein Räuberbaron gewesen, einer der großen Eisenbahn-Magnaten, und damit vermutlich noch reicher als meine Mutter. Harriman sah ein bisschen so aus, wie ich mich fühlte: nervös.
Roosevelt sprach noch mit Harriman und King, also beugte ich mich zu Bohlen hinüber und sagte: »Da ja wohl hauptsächlich Sie dolmetschen, sollten Sie dem Präsidenten vielleicht noch einmal sagen, nach welchem System Sie vorgehen möchten.«
»System?«, fragte Bohlen stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf. »Du liebe Güte, es gibt ja noch nicht mal einen Stenographen. Und es scheint auch niemand irgendwelche Positionspapiere zu anstehenden Fragen vorbereitet zu haben.
Jedenfalls nicht dass ich wüsste. Kommt Ihnen das nicht ein bisschen seltsam vor?«
»Wenn Sie mich so fragen, doch. Aber das ist typisch FDR. Er improvisiert eben gern. Hat es lieber informell.«
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»Ist das wirklich praktikabel, wenn es um das Schicksal der Nachkriegswelt geht? Das sollte man doch wohl so formell wie irgend möglich handhaben, meinen Sie nicht?«
»Mich kann nichts mehr überraschen, Chip. Nicht auf dieser Reise.«
»Was ist in der Mappe da?«, fragte Hopkins und zeigte auf die Aktenmappe neben meinem Stuhl. »Eine Bombe?«
Ich lächelte ein wenig bemüht, öffnete die Mappe, zog die Beketowka-Akte heraus und gab sie Hopkins. Ich war noch dabei, ihm den Inhalt zu erläutern, als Roosevelt sich plötzlich räusperte und das Wort ergriff.
»So, meine Herren«, sagte er. »Kommen wir zur Sache. Ich muss Professor Mayer und Mr. Bohlen bitten, ihre Neugier noch ein wenig zu zügeln. Vieles, was wir hier besprechen, wird für Sie momentan keinen Sinn ergeben, Sie müssen sich noch etwas gedulden. Sie werden alles erfahren. Es hat einen verdammt guten Grund, dass wir Sie hierher gebeten haben. Aber darauf komme ich gleich. Mike – sind alle Delegationen wohlbehalten angekommen?«
»Bereits gestern.«
»Was macht Churchill, Harry?«
»Er schmollt.«
»Na ja, kann ich ihm nicht verdenken. Ich werde ihn
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