Der Pakt
gelangen. Oster hatte befunden, dass er jetzt ein kleines, bewegliches Kommando von nicht mehr als einem halben Dutzend Männern brauchte. Nach einem kurzen, aber emotionalen Abschied wurden er, Schoellhorn, die Untersturmführer Schnabel und Schkwarzew sowie drei weitere Ukrainer zu einer Pistazienrösterei nordöstlich der Stadt gefahren.
Am berühmten Hof der Königin Belghais von Saba waren Pistazien noch eine Delikatesse ausschließlich für den Hofadel und die privilegierte Elite gewesen. Zum Glück für Hauptsturmführer Oster und seine Männer wurden diese Nüsse jetzt jedoch schon im ganzen Land gegessen. Jomat Abdoli war einer der bedeutendsten Pistaziengroßhändler im Iran. Bauern aus allen wichtigen Pistazienanbaugebieten verkauften ihm ihre Ernte. Er röstete und lagerte die Pistazien nordöstlich von Teheran auf einem Anwesen in Eshtejariyeh. Jomat hasste die Briten. Als Mehdizadeh, der Ringer, zu ihm gekommen war und ihn gebeten hatte, ein paar Deutsche bei sich zu verstecken, hatte er sich nur zu gern dazu bereit erklärt.
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Mehdizadeh, Schoellhorn, Oster, Schnabel, Schkwarzew und die anderen hatten im Hauptlagerhaus geschlafen und gerade ein traditionelles iranisches Frühstück mit Tee, gekochten Eiern, gesalzenem Käse, Joghurt und Fladenbrot zu sich genommen, als sie die Nachricht erreichte, dass ein Lastwagen mit russischen Soldaten am Fuß des Hügels, auf dem Jomats Lagerhaus stand, gesichtet worden war. Schkwarzew griff nach seinem russischen PPSh41-Handfeuermaschinengewehr. Weder Jomat noch irgendeiner der sechs Männer im Pistazienlager wusste, dass die Männer in dem Haus in der Abassi Street inzwischen bei einem Feuergefecht umgekommen waren. Hätte Oster das gewusst, wäre er wahrscheinlich davon ausgegangen, dass es kein Entkommen gab. Dann wäre er dem Impuls des Ukrainers, wenigstens kämpfend zu sterben, nicht entgegengetreten.
So aber legte er Schkwarzew die Hand auf den Arm und sagte:
»Nein, wir hätten keine Chance.« Dann fragte er Jomat:
»Können wir uns hier irgendwo verstecken?«
Jomat raffte bereits einen Stapel leerer Säcke an sich. »Folgen Sie mir«, sagte er und führte sie durchs Hauptlagerhaus und den Röstschuppen in ein leeres, aus Ziegeln gemauertes Silo.
»Legen Sie sich auf den Boden und decken Sie sich mit den Säcken zu«, wies er sie an. Sobald sie das getan hatten, zog er eine Metallschütte über das Silo und öffnete einen Zufuhrschieber, sodass sich eine halbe Tonne glatter, frisch geernteter, lilafarbener Pistazien in das Silo ergoss.
Oster hatte Pistazien nie besondere Beachtung geschenkt. Im Adlon gab es eine Cocktailbar, wo sie die Dinger in kleinen Messingschälchen servierten, und ein-, zweimal hatte er welche davon gegessen. Wenn sie ihm jetzt sein Leben retteten, würde er ganz bestimmt öfter Pistazien essen. Außerdem hatte Jomat beim Frühstück behauptet, Pistazien seien, nach dem Abendessen genossen, ein perfektes Aphrodisiakum. »Der König Salomon aus Ihrer Bibel war ein so großartiger 476
Liebhaber«, hatte Jomat erklärt, »nur weil Königin Belghais ihm so viele Peste gegeben hat.« Peste war das Farsi-Wort für Pistazien.
Staub drang Oster in Mund und Nase. Er versuchte, den Hustenreiz zu ignorieren. Was gäbe er jetzt für ein Glas Wasser!
Nicht von dem Zeug, das in diesen Qanats, den offenen Rinnen, die Straßen entlangfloss, sondern von dem reinen Gletscherwasser seines Heimatorts in den österreichischen Alpen. Typisch für die Briten, dass sie das Wasser aus der einzig wirklich sauberen Quelle in Teheran zu sich herableiteten und an ihre Freunde verkauften! Ein Volk von Krämern, wahrhaftig.
Es gab zwar jede Menge von Pferden gezogene Wasserkarren in und um Teheran, aber denen traute keine der Botschaften. Was nur gut war, dachte er. Der Sinn der Briten für Hygiene und Handel würde noch einmal ihr Untergang sein.
Die Wasserkarren Teherans wurden fast alle von der australischen Firma J. Furphy in Shepperton, Victoria, hergestellt. Sie waren im Ersten Weltkrieg mit australischen Truppen nach Mesopotamien gelangt. Beim Abzug der Australier waren sie dann an Iraner verkauft worden. Die iranischen Fahrer dieser Wasserkarren galten als Verbreiter windiger Informationen und Klatschgeschichten, sodass das Wort »Furphy« inzwischen zum lokalen Synonym für ein unbestätigtes Gerücht geworden war. Auf Osters Anweisung hin hatte Mehdizadeh dem Besitzer des Cafés Firdusi einen Furphy abgekauft und dazu bei einem lokalen
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