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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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und Ribbentrop waren bester Laune, als plötzlich die Tür des Salons aufflog und Hitler hereinstürmte. Zornrot im Gesicht, marschierte er auf Himmler zu und wedelte mit einer Akte, vor der Nase des Reichsführers herum.
    »Haben Sie das gewusst?«, brüllte er.
    Himmler stand auf und schlug die Hacken zusammen. »Was, mein Führer?«
    »Das hier ist eine SD-Akte mit der Aufschrift ›Beketowka‹.«
    »Beketowka?«, stammelte Himmler und lief rot an, während er überlegte, wie in aller Welt der Führer an diese Akte gekommen sein konnte.
    »Wie ich sehe, sagt Ihnen der Name etwas«, blaffte Hitler.
    »Warum habe ich das hier nie zu sehen bekommen? Warum habe ich es erst von den Amerikanern erhalten müssen?«
    »Ich verstehe nicht – die Amerikaner haben Ihnen diese Akte gegeben?«
    »Ja. Ja, ja, ja! Aber das spielt keine Rolle, verglichen mit der Tatsache, dass man mir den Inhalt dieser Akte nie gezeigt hat.«
    Plötzlich begriff Himmler, was passiert sein musste. Die Beketowka-Akte. Die hatte er ganz vergessen. Die Akte war, wie er befohlen hatte, in Roosevelts Hände gelangt, und die Amerikaner hatten sie irrtümlich Hitler zurückgegeben.
    Während Himmler noch nach einer Erklärung suchte, versetzte ihm Hitler mit der Akte einen Schlag auf die Schulter und feuerte sie dann auf den Boden.
    514

    »Glauben Sie wirklich, ich wäre hierher gekommen, bereit, meine Truppen aus Russland abzuziehen, wenn ich das gewusst hätte?«
    Himmler schwieg. Er kannte Hitler gut genug, um zu wissen, dass dies eine rhetorische Frage war. Das war das Ende der Teheraner Gespräche, so viel war klar. So wie Hitler tobte –
    schlimmer, als Himmler es je erlebt hatte –, war es völlig ausgeschlossen, dass sich der Führer noch mit Leuten an einen Tisch setzen würde, die er für die in der Beketowka-Akte dargestellten Gräuel verantwortlich machte.
    »Tausende und Abertausende unserer tapferen Soldaten und Offiziere haben diese russischen Schweine ermordet, unter unfassbaren Umständen, und Sie wollten trotzdem noch, dass ich mich mit denen an einen Tisch setze und Friedensgespräche führe. Wie könnte ich meinen Soldaten in die Augen sehen, wenn ich einen Handel mit diesen Tieren schlösse?«
    »Mein Führer, es ging mir um die Soldaten, die noch am Leben sind, ihretwegen hielt ich es für das Beste, diese Gespräche in die Wege zu leiten«, sagte Himmler. »Für diejenigen deutschen Gefangenen, die noch in russischen Lagern sitzen, käme eine Freilassung doch immer noch rechtzeitig.«
    »Was sind Sie bloß für ein Mensch, Himmler?
    Zweihunderttausend deutsche Soldaten haben diese slawischen Untermenschen systematisch verhungern und erfrieren lassen oder zu Tode geprügelt, und Sie können immer noch daran denken, sich mit ihnen traulich an einem Tisch zu setzen?«
    Hitler schüttelte den Kopf. »Aber das müssen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen, sofern Sie eins haben. Ich für mein Teil werde keinen Frieden mit den kaltblütigen Mördern deutscher Soldaten schließen. Haben Sie gehört? Ich werde keine Hände schütteln, die von deutschem Blute triefen. Sie sind ein prinzipienloses Schwein, Himmler. Wissen Sie das? Sie sind ein Mann ohne moralische Werte.«
    515

    Noch immer außer sich vor Wut marschierte Hitler im Zimmer umher, biss an der Nagelhaut seines Daumens herum und beschwor Unheil und Vernichtung auf die Häupter der Russen herab.
    »Aber was sollen wir ihnen sagen?«, fragte Himmler kleinlaut.
    Er wusste, diese Frage zu stellen war müßig, da der Raum höchstwahrscheinlich mit Abhörmikrophonen gespickt war: Seine Strategie gründete ja sogar darauf, dass die Russen ihre vermeintlichen Privatgespräche abhören würden. Noch ein Beweis unseres aufrichtigen guten Willens, hatte er Hitler erklärt. Aber in seinem Zorn hatte der Führer das wohl vergessen.
    »Sagen Sie Stalin, wegen des versuchten Attentats auf mich hielten Sie meine Sicherheit nicht mehr für gewährleistet, und deshalb sähen wir uns leider gezwungen, uns aus diesen Verhandlungen zurückzuziehen. Sagen Sie ihm, was Sie wollen.
    Aber wir reisen ab. Sofort.«
    12.45 UHR
    Sobald Sergo Berija das Abhörprotokoll des Gesprächs zwischen Hitler, Himmler und Ribbentrop gelesen hatte, eilte er hinüber in die Villa des NKWD, um seinem Vater Bericht zu erstatten. Sergo liebte seinen Vater und war vermutlich der einzige Mann in Russland, Stalin eingeschlossen, der keine Angst vor dem Chef der Staatssicherheit hatte. Trotz seiner ständigen Weibergeschichten

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