Der Pakt
zu seinem Erstaunen sprach ihn der Außenminister an.
»Ah, Schellenberg, da sind Sie ja. Ich habe gehofft, mit Ihnen reden zu können.«
»Herr Reichsminister?«
»Ich habe mit Ihrem SD-Mann gesprochen, Ludwig Moyzisch.
Über diesen Cicero und den angeblichen Inhalt des Safes der britischen Botschaft in Ankara. Es erstaunt mich, dass Sie das Cicero-Material für echt halten. Wissen Sie, ich kenne die Briten sehr gut. Besser als Sie, würde ich meinen. Ich habe ihren Türkei-Botschafter, Sir Hughe, persönlich kennen gelernt und weiß, was für eine Sorte Mann er ist. Nämlich mitnichten ein kompletter Trottel. Ich meine, er musste diesen Burschen –
Bazna, richtig? Ciceros Klarname? – doch nur überprüfen zu lassen. Er brauchte ihm doch nur ein, zwei Fragen zu stellen, um herauszufinden, dass einer seiner früheren Arbeitgeber in Ankara mein Schwager Alfred war. Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube, Schellenberg?«
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»Bitte, Herr Reichsminister. Ich würde mich freuen, Ihre Meinung zu hören.«
»Ich glaube, Sir Hughe hat nachgefragt, und als herauskam, dass der Mann bei Alfred gearbeitet hatte, beschloss man, ihm ein paar Informationen in die Hände zu spielen.
Falschinformationen. Für uns. Lassen Sie sich’s gesagt sein.
Hier geht es immerhin um die Großen Drei. Da stolpert man nicht einfach über streng geheime Informationen, wann und wo sie sich treffen. Wenn Sie mich fragen, ist dieser Cicero ein reiner Scharlatan. Aber sprechen Sie mit meinem Bruder, wenn Sie möchten. Er wird Ihnen bestätigen, was ich sage.«
Schellenberg nickte. »Ich glaube, das wird nicht nötig sein«, sagte er. »Aber ich habe mit Ihrem ehemaligen Persien-Botschafter gesprochen. Ausführlich. Er sagt, Sir Hughe sei dort von 1934 bis 1936 britischer Botschafter gewesen und habe es mit der Sicherheit nie so genau genommen. Schon damals hatte er offenbar die Gewohnheit, sensible Unterlagen nach Hause mitzunehmen. Sie müssen wissen, die Abwehr ist schon seit 1935 hinter solchen Unterlagen her. Und dort hat man eine ziemlich umfangreiche Akte über Sir Hughe und seine Zeit in Teheran. ›Snatch‹, wie Sir Hughe bei seinen Freunden vom Balliol-College heißt, ist, laut einer inoffiziellen Äußerung keines Geringeren als Ihres britischen Amtskollegen Sir Anthony Eden, löchriger als ein Sieb. Und auch nicht gerade ein Ausbund an Intelligenz. Die Entsendung nach Ankara war der Versuch, ihn irgendwohin abzuschieben, wo er nicht allzu viel Unheil stiften kann. Was auch klappte, bis dann bei Ausbruch des Krieges die unbedeutende Kleinigkeit der türkischen Neutralität aufs Tapet kam. Kurzum, alles, was ich im Zuge der Evaluierung dieses Cicero-Materials erfahren habe, bringt mich zu dem Schluss, dass Sir Hughe einfach zu faul und zu vertrauensselig war, um gründlichere Erkundigungen über diesen Bazna einzuziehen. Mir scheint, die Einstellung eines guten Kammerdieners war ihm wichtiger als die Abklärung 58
möglicher Sicherheitsrisiken. Und bei allem Respekt, Herr Reichsminister, ich glaube, es ist ein Fehler, ihm Ihre eigenen hohen Tüchtigkeitsmaßstäbe zu unterstellen.«
»Sie haben wirklich Phantasie, Schellenberg. Aber das ist ja wohl auch Ihre Aufgabe. Nun ja, viel Glück. Aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.« Damit machte Ribbentrop auf dem Absatz kehrt und entfernte sich, um schließlich bei den SS-Offizieren Frank, Lörner und Kammler stehen zu bleiben.
Schellenberg zündete sich eine Zigarette an und beobachtete Ribbentrop. Interessant, dachte er, dass der Außenminister seine Abneigung gegen ihn gerade lange genug überwunden hatte, um Bazna für unglaubwürdig und sein Material für wertlos zu erklären. Das deutete doch wohl darauf hin, dass Ribbentrop genau das Gegenteil dachte und Amt VI davon abhalten wollte, auf Grundlage des Cicero-Materials aktiv zu werden.
Schellenberg hatte zwar diesbezüglich noch nichts geplant, aber jetzt, da Ribbentrop sich so offensichtlich für die Sache interessierte, fragte er sich, ob er nicht doch einen Plan schmieden sollte, und sei es nur, um den aufgeblasenen Minister ärgern.
»Können Sie es nicht mal fünf Minuten ohne Zigarette aushalten?«
Das war Himmler, der zur prächtigen neoromanischen Decke des Goldenen Saals emporzeigte, wo sich bereits eine Rauchwolke über den Köpfen der SS-Gruppenführer bildete.
»Sehen Sie, was hier drinnen für eine Luft ist?«, sagte er gereizt.
»Ich habe ja nichts gegen eine gute Zigarre am Abend, aber
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