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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die Gestapo, die ihm folgte.
    Schellenberg bedankte sich und schaltete das Funkgerät aus.
    Dorthin, wohin er jetzt wollte, durften sie ihm auf keinen Fall folgen – Himmler würde sein Arrangement gar nicht gutheißen.
    Aber er wollte sie auch nicht zu offensichtlich abhängen; solange die Gestapo nicht wusste, dass er gewarnt worden war, war das für ihn ein kleiner Vorteil.
    Er hielt bei einem Tabakgeschäft und kaufte sich Zigaretten.
    Das gab ihm Gelegenheit, sich umzuschauen, ohne dass es so wirkte, als hätte er seine Verfolger bemerkt. Dann fuhr er nordwärts bis zum Kurfürstendamm und folgte diesem nach Osten, Richtung Stadtmitte.
    Nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bog er in die Tauentzienstraße ein und hielt vor dem Ka-De-We am Wittenbergplatz. Im größten Kaufhaus Berlins herrschte reger Betrieb, und für Schellenberg war es hier ein Leichtes, der Gestapo zu entwischen. Er ging ins Gebäude hinein und zu einem anderen Ausgang wieder hinaus. Dann nahm er sich am Stand in der Kurfürsten-Straße ein Taxi. Er ließ sich die Potsdamerstraße in Richtung Tiergarten hinauffahren und in der Nähe des Brandenburger Tors absetzen. Das berühmte Monument war von den Bombenangriffen etwas mitgenommen, und die Quadriga, die Eirene in ihrem Streitwagen zog, wirkte eher apokalyptisch als triumphal. Schellenberg überquerte die Straße, sah sich noch ein letztes Mal um, ob er auch wirklich nicht mehr beschattet wurde, und verschwand dann rasch im Eingang des Adlon. Vor dem Krieg hatte das Adlon den 77

    Spitznamen »die kleine Schweiz Berlins« getragen, weil dort so viele diplomatische Aktivitäten stattfanden. Genau das war wohl ein Grund dafür gewesen, weshalb Hitler das Hotel immer gemieden hatte. Wichtiger noch aber war, dass auch die SS das Adlon mied und den Kaiserhof in der Wilhelmstraße bevorzugte. Deshalb wickelte Schellenberg seine Treffen mit Lina immer im Adlon ab.
    Seine Suite lag im dritten Stock des Hotels, mit Blick auf Unter den Linden. Ehe die NSDAP die Bäume hatte fällen lassen, um militärische Aufmärsche zu erleichtern, hatte man von hier wohl so ziemlich den schönsten Blick von ganz Berlin, ausgenommen vielleicht den auf Lina Heydrichs nackten Hintern.
    Sobald er im Zimmer war, griff er zum Telefon, um Champagner und ein kaltes Mittagessen zu ordern. Trotz des Krieges konnte sich das Adlon, was das Essen anging, immer noch mit jedem Luxushotel Europas messen. Er stellte das Telefon vom Bett weg und begrub es unter einem Berg Polsterkissen. Schellenberg wusste, dass Görings Forschungs-amt, zuständig für das Abhören von Telefonleitungen und die Überwachung des Funkverkehrs, in allen vierhundert Zimmertelefonen des Adlon Wanzen installiert hatte.
    Schellenberg zog die Jacke aus, ließ sich mit dem Illustrierten Beobachter in einem Sessel nieder und las einen ungemein idealisierenden Artikel über das Leben an der Ostfront, in dem stand, dass die deutschen Soldaten nicht nur die Feindesmassen zurückhielten, sondern dass am Ende der deutsche Heldenmut auf jeden Fall siegen würde.
    Es klopfte an der Zimmertür: ein Kellner mit einem Servierwagen. Er wollte die Champagnerflasche öffnen, aber Schellenberg gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und schickte ihn weg. Es war eine Flasche 1937er Dom Perignon, aus der Kiste, die er aus Paris mitgebracht und beim Sommelier des Adlon deponiert hatte, und er gedachte nicht, eine der 78

    wahrscheinlich letzten Flaschen anständigen Champagners in Berlin von irgendjemand anderem als sich selbst öffnen zu lassen.
    Zehn Minuten später ging die Tür ein zweites Mal auf, und eine große, blauäugige, weizenblonde Frau in einem gut geschnittenen braunen Tweedkostüm und einer fein karierten Flanellbluse betrat die Suite. Lina Heydrich küsste ihn ein wenig traurig, so wie sie ihn bei jedem Wiedersehen küsste, setzte sich dann in einen Sessel und zündete sich eine Zigarette an. Er öffnete gekonnt den Champagner, goss ein Glas voll, brachte es ihr, setzte sich auf ihre Armlehne und strich ihr sanft übers Haar.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte er.
    »Gut, danke. Und dir? Wie war Paris?«
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    »Walter«, sagte sie und lächelte noch immer mit derselben Traurigkeit, »das war doch nicht nötig.«
    Er gab ihr ein in Geschenkpapier gehülltes Päckchen und sah ihr beim Auspacken zu.
    »Parfüm«, sagte sie. »Woher wusstest du bloß, dass das hier knapp ist?«
    Schellenberg lächelte. »Dinge zu wissen, ist

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