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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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streckte den Kopf ins verblassende Tageslicht hinaus, die Brust auf Höhe des mit Ziegeln gedeckten Daches.
    »Die Dachziegel sind morsch!« drang Chuns Stimme zu ihm herauf. »Seid vorsichtig!«
    Er jedoch blickte über das unordentliche Lager hinweg, das sich am Fuße der Mauer ausbreitete, die dieses Dach beschirmte – blickte jenseits des Lagers, zur flußseitigen Mauer, über den Hisei hinweg, dorthin, wo sich die Brücke spannte, zu den in der Ferne verschwimmenden Hügeln, wo Reidi sein sollte... falls Reidi gekommen war.
    Und dann in die Tiefe, dreißig Fuß unter sich, zu nahe, als daß er, nur mit Kopf und Schultern über den Ziegeln, das Tor hätte sehen können, das auf die Brücke hinausging, oder die Zelte am Fuß der Mauer, doch die weiter entfernten Zelte breiteten sich zwischen den frei gelassenen Gassen für die Soldaten und Pferde inmitten eines Wirrwarrs von Führungsseilen und Zelträndern aus, keine ordentlichen Gassen, sondern eine bunt zusammengewürfelte Stadt aus Leinwand und Schafsfell und allen möglichen anderen Materialien, welche die Söldner mitgebracht oder erbeutet hatten.
    Piraten und Banditen, die sich dort eingenistet hatten, wo einmal die exakt ausgerichteten blassen Zelte der kaiserlichen Truppen gestanden hatten, wenn der Kaiser die Stadt besucht hatte; oder häufiger die Streifen und hellen Farben des Marktes von Lungan, in besseren, ruhigeren Zeiten – ein sicherer, umfriedeter Basar, in dem eine Handvoll Polizisten und starke Tore einen ehrlichen Handel und ein Minimum an Taschendieben und Gaunern zu garantieren vermochten.
    Da waren die zum Appell angetretenen Soldaten – eine dunkle Ansammlung von Menschen rund um helle Fackeln und Laternen, die man vor der hereinbrechenden Nacht entzündet hatte; da waren Fahnen und das Podium, von dem aus Ghita sprechen würde. Die Prozession war bereits vorbeigezogen. Auf dem Podium standen Gestalten herum, klein und glitzernd vor Gold.
    Er stemmte sich schwungvoll hoch und vertraute sein Gewicht den alten Ziegeln und dem alten Holz an.
    »Verdammt gute Aussicht.«
    »Hier!« sagte Chun von unten. In der Öffnung tauchte sein bespannter Bogen auf. Er versuchte, ein Knie unter sich zu bekommen. Dachziegel knirschten und gerieten unter seiner Hüfte ins Rutschen. Er legte sich flach hin, und das Rutschen hörte auf.
    »Hauptmann?«
    »Halt den Mund! Nichts passiert.« Mit schwankender Stimme, einem dreißig Fuß tiefen Absturz knapp entronnen, angesichts des feindlichen Lagers unter ihm. Er entspannte sich wieder, horchte auf das Knirschen von Ziegeln, verlagerte sein Gewicht behutsam auf ein Knie und wartete einen Augenblick lang ab, dann beugte er sich vor und nahm die beiden Pfeile, die Chun ihm hochreichte.
    Im Knien vermochte er die Zelte und die Gasse unter sich ebenso einzusehen wie die weiter entfernten Teile des Lagers. Ein recht heftiger Wind traf beinahe rechtwinklig auf seinen Rücken, ein wenig nach links versetzt. Er verschaffte sich mit Fuß und Knie einen festen Halt, dann spannte er den Bogen, berechnete seinen Schuß und feuerte ihn im hohen Bogen ins Lager. Ein Fernschuß. Er sah den Pfeil kurz vor der gegenüberliegenden Mauer niedergehen, wobei ihm der Wind und die Schußhöhe zustatten kamen. Den zweiten Pfeil brauchte er nicht mehr.
    »Mach schon!« flüsterte er in die dunkle Öffnung an seiner Seite. Worauf Licht aufflammte und ein dritter Pfeil hochgereicht wurde, diesmal einer, dessen Spitze mit einem brennenden Lappen umwickelt war. Gut getränkt: er flackerte und zischte im Wind, als er ihn anlegte und den Bogen für einen hohen und weiten Schuß spannte. Eine schwerere Spitze. Er würde rascher sinken. Eine Feuerspur flog durch die Dämmerung, schwächer als die Fackeln.
    »Hier!« sagte Chun.
    Ein weiterer Pfeil, und noch einer, in die Zelte hinein. Während der erste sich zu einem Brand auswuchs. In einem dichten Durcheinander von Leinwand. Bei einem kräftigen Nordwind, der das Feuer bis zur entgegengesetzten Mauer treiben und brennende Stofffetzen durch die Luft wirbeln würde, innerhalb von vier hohen Mauern, während die Feuer ein gutes Stück von den beiden Wassergräben entfernt waren.
    Er sah, wie sich die Soldaten zerstreuten, er hörte dünne Stimmen Befehle rufen, während Rauch emporquoll, erhellt von dem sich ausbreitenden Feuer. Solange Pfeile nachgereicht wurden, schoß er Feuerspuren über den Himmel, solange bis Chun hochgeklettert kam und seinen Kopf durch die Öffnung streckte, um einen

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