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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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an.
    »Vor allem darfst du nicht daran herumhacken. Wenn in diesem Holzstück irgendeine lange Faser war, dann hast du sie kaputtgemacht. Was hast du benutzt, eine Axt?«
    Sie nickte.
    »Wo ist sie?«
    »Verloren.«
    »Wo?«
    »Hab damit nach diesem Mann geworfen.«
    »Nach wem?«
    »Unterwegs.«
    »Ich habe nicht gefragt
wo,
ich habe gefragt
wer.«
    »Der Mann, der mich im Wald überfallen hat.«
    Alles mußte er ihr aus der Nase ziehen. »Du machst es einem wirklich schwer. Kannst du nicht mal eine
Geschichte
erzählen, um Himmels willen?«
    »Ich soll erzählen?«
    »Unterhalte mich.«
    »Ich war verdreckt und wurde naß. Ich wollte mir einen Platz zum Schlafen suchen, aber da tauchte dieser Mann am anderen Bachufer auf, und ich konnte nicht reden, sonst hätte er gemerkt, daß ich ein Mädchen bin; darum nahm ich meine Sachen und wollte weggehen, aber er meinte, ich solle bleiben. Ich sagte, verschwinde. Aber er kam über den Bach, und ich schleuderte die Axt auf ihn und lief weg. Ich hatte Angst, noch einmal zurückzugehen und sie zu holen. Ich dachte, er könnte damit hinter mir her sein.«
    Er nickte. »Warum nicht der Bogen?«
    »Er war naß. Es hat geregnet.«
    Er seufzte, stützte das Kinn auf die Hand, die leere Schüssel im Schoß, und sah sie an, während sie ihn ansah, als hätte er sie vollkommen durcheinandergebracht.
    Gütiger Himmel, wer
ist
dieses Mädchen?
    »Er wollte mich überfallen«, protestierte sie.
    »Das glaube ich auch.«
    Sie sah ihn zweifelnd an, senkte den Kopf und stocherte nach den letzten paar Körnern, die am Rand ihrer Schüssel klebten.
    »Mädchen«, sagte er, »ich weiß nicht, was in Hua passiert ist, aber es haben sich nur selten Banditen hierher verirrt. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Ich habe keine Angst.«
    »Du kannst nicht alle Übel der Welt wiedergutmachen, nicht einmal dann, wenn sie dir widerfahren sind. Glaub mir das. Es sind Leute zu mir gekommen und haben mich gebeten, den einen oder anderen Mißstand zu beseitigen. Das sind alles traurige Geschichten. Aber ich kann es nicht ändern. Das ist die größte Weisheit, die ich auf diesem verdammten Berg gelernt habe: mich um meine eigenen Schwierigkeiten zu kümmern. Friedlich zu leben. Der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang sind wichtiger als der Aufstieg und Fall von Kaisern. Das ist meine ganze Philosophie. Ich gebe sie dir weiter.«
    Sie runzelte die Stirn und starrte ihre leere Schüssel an.
    »Hast du mich verstanden?« fragte er sie. Manchmal war er nicht sicher, ob sie mit ihrem Akzent seine Sprache und die Worte verstand, die er gebrauchte. Er versucht sich einfach auszudrücken.
    »Ich habe Euch gehört.«
    »Ich habe nicht gefragt, ob du mich gehört hast, ich habe dich gefragt, ob du mich verstanden hast.«
    »Bringt mir bei, einen richtigen Bogen zu machen. Unterrichtet mich im Schwertkampf. Das will ich.«
    »Mädchen, ich kann dir vieles beibringen...«
    Sie bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick, die Warnung, die sie möglicherweise dem Mann hatte zukommen lassen, ehe sie die Axt geschleudert hatte.
    »Unter anderem«, beharrte er, »auch die Sanftheit, die ein Mann gegenüber einer Frau an den Tag legen sollte.«
    Sie stand auf, verschwand in der Hütte, kam mit dem Eimer, den sie fürs Trinkwasser benutzten, wieder heraus und stellte ihn auf die Veranda, wie sie es stets tat, bevor sie den Hügel hinaufrannte.
    »Laß das«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie.
    »Ich sagte, laß es. Verdammt, es ist dunkel im Wald. Du bist den ganzen Tag durch den Wald marschiert; du kannst morgen wieder laufen.«
    »Ich habe gesagt, ich würde es machen.«
    »
Ich
habe gesagt, laß es.« Er stellte die Füße auf den Boden neben der Veranda, stand auf und stieg ein wenig steif die Stufen hinauf; so war es jedesmal, wenn er mit untergeschlagenen Beinen gesessen hatte. »Du hast auch gesagt, du würdest tun, was ich dir sage; und du wirst nicht im Dunkeln laufen.« Er sah die Angst in ihren Augen und senkte die Stimme. »Mache ich dir Angst? Du brauchst keine Angst zu haben. Findest du, es ist ein Grund wegzurennen, wenn ein Mann sagt, daß er ein bißchen nett zu dir sein möchte?«
    Die Angst blieb. Sie sah ihn an, als bliebe ihr nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, die beide furchtbar waren.
    »Mädchen, ich habe nicht enthaltsam gelebt, bevor ich hierherkam; und wenn du glaubst, du sähest wie ein Junge aus, und wenn du glaubst, ich könnte nach neun Jahren hier oben auf dem Berg eine Hütte mit

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