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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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der Kaiser nicht der Gebieter über das Recht, der Vermittler des Göttlichen, die Brücke zum Himmel?
    Wie die Priester dachten auch die Leute, die ihre Hoffnung in die Götter setzten und die vor allem hofften, in Ruhe gelassen zu werden; keinesfalls würden sie gegen die Priester kämpfen. Dies war Shoka klargeworden, als mehrere Bauern versucht hatten, die auf seinen Kopf ausgesetzte Belohnung einzustreichen. Er hatte ein Leben lang zuerst an seine Pflichten und seinen Kaiser gedacht; er hatte das Recht verteidigt; er hatte alles für das Wohl Chiyadens und das des Kaisers in Cheng'di aufgegeben; und Chiyaden hatte ihn schließlich verraten.
    Was also soll ich dir beibringen, Mädchen? Weisheit?
    Die habe ich auch hier nicht gefunden.
    Ich hatte unzählige Geliebte. Eine habe ich geliebt. Auf sie habe ich verzichtet. Ich habe meinen Vater respektiert und sie den ihren, wir waren fünfzehn: Was wissen schon Kinder?
    Er konnte den Becher, Fürstin Meiya und das Fenster nicht vergessen – dieses einsame, vollkommene Bild, als wäre er selbst dort gewesen, in diesem Zimmer, in dem Augenblick, als sie die Hoffnung aufgab –, auch wenn sich ihre Unterhaltung in den späteren Jahren darauf beschränkt hatte, Pläne zu schmieden, wie man den Thronfolger von seinen ausschweifenden Freunden fernhalten, wie man Fürst Ghita und seine Gefolgsleute überlisten, wie man den sterbenden Kaiser davon überzeugen könnte, irgend etwas gegen die eigene Ermordung zu unternehmen.
    Wenn sie seine Frau gewesen wäre...
    Aber Meiya hatte ebenfalls die Pflicht gewählt.
    Und jetzt war sie tot, und er lebte in lebenslangem Exil und wurde von einem närrischen Bauernmädchen belästigt, das daran glaubte, es könne die Leiden seiner Familie wiedergutmachen, das daran glaubte, daß Blut das Blut seiner Angehörigen rächen werde oder daß die Gespenster der Vergangenheit dann aufhören würden, es im Schlaf heimzusuchen.
    Narren konnte man nicht helfen. Narren, hatte der alte Meister Yenan immer gesagt, müssen ihre Dummheit überwinden, bevor sie zuhören können. Sie müssen erst wissen, was Wahrheit ist.
    Das mußte sie also als erstes lernen – ein Mädchen, das kein Mädchen sein wollte, eine Närrin, die nach Rache verlangte, die ihr nichts nützen würde.
    Das mußte sich als erstes ändern.
    Gütiger Himmel, er wollte sie schlagen. Und er begriff nicht, warum, außer weil sie eine Närrin war.
    Daß er mit ihr schlafen wollte – mit einer narbengesichtigen Schweinehirtin –, erschien ihm wie ein Exorzismus, wie der Versuch, sich mit einem möglichst wilden und grobschlächtigen Wesen zu paaren. Shokas Wahl, nicht Saukendars Wahl. Shokas Versuch, sich zu trösten. Mit einer anderen Frau als der, die er hätte haben können.
    Verdammt, besser eine Frau, die sich an dem Ort, an dem er leben mußte, behaupten konnte, besser eine Frau, die so wirklich war wie Schmutz und Sommerhitze.
    Meiya war – wie war sie eigentlich gewesen, damals, vor zwanzig Jahren, als er jung und gesund gewesen war, als er geglaubt hatte, daß es gerecht zugehe auf der Welt?
    Das Mädchen – Taizu – erschien ihm wie eine zweite Gelegenheit.
    Sie im Schwertkampf unterrichten.
    Gütiger Himmel!
     
    »Die Ferse so«, sagte er zu ihr und tippte mit dem Stock auf den Boden. »Zehe.« Er schob den Fuß zurecht und ging um sie herum, tippte auf ihren Ellbogen, ein Knie, musterte sie von allen Seiten.
    »Pause«, sagte er dann. »Entspann dich.« Und als sie gerade tief Luft geholt hatte: »Nimm wieder die Grundstellung ein.«
    Sie sah ihn an, betrogen, und er schlug sie auf die Waden.
    »Nimm wieder die Grundstellung ein.«
    Sie nahm schwankend Haltung an.
    Er schlug sie erneut, diesmal auf eine falsch ausgerichtete Zehe, ein Knie, einen Ellbogen. Die Gliedmaßen nahmen nervös eine Haltung an, an die sie sich noch undeutlich erinnerten.
    Er brachte sie behutsam wieder in Position.
    »Bleib eine Weile so stehen«, sagte er. »Bis dein Körper es weiß.«
    Und er setzte sich in den Schatten und gönnte sich eine Schale Tee.
     
    »Dreh dich! Dreh dich! Dreh dich!« schrie Shoka, und das Mädchen wirbelte herum, nahm die Grundstellung ein und drehte sich wieder und wieder in vollendeter Abstimmung. Sie landete in der Grundstellung, und er ließ seinen Stock gegen ihre Schienbeine vorschnellen. Sie sprang darüber und landete in vorbildlicher Haltung auf weichbeschuhten Füßen.
    Er schlug versuchsweise von hinten gegen ihre Knie.
    Sie sprang, die falsche

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