Der Paladin
reichte ihr das Schwert.
»Grundstellung. Links, rechts, links.«
Sie griff an, wie er es ihr gesagt hatte.
»Noch einmal«, sagte er. Und: »Noch einmal.«
In der Hütte stank es nach kochenden Kräutern und Fett, und Shoka rümpfte die Nase, als er mit einem Stock die Lappen nacheinander aus der Mixtur hob und in eine Schüssel fallen ließ.
Taizu, die auf der Matte saß, rümpfte ebenfalls die Nase, als er ihr die Schüssel brachte, doch sie leistete nur halbherzig Widerstand. »Runter mit dem Hemd«, sagte er; und als sie ihn voller Widerwillen ansah: »Keine Dummheiten, Mädchen. Runter damit! Dein Körper interessiert mich im Moment nicht. Ich behandle dich genauso, wie du es wolltest, und mit Zimperlichen habe ich keine Geduld.«
Sie wandte ihm den Rücken zu und zuckte zusammen, als sie sich das lose Hemd über den Kopf zu ziehen versuchte. Nicht einmal das schaffte sie.
Er stellte die Schüssel ab, schob ihr das Hemd über die Schultern hoch und drückte ihr Gesicht auf die Matte, dann nahm er einen dampfenden Lappen und legte ihn ihr auf den Rücken.
»Ai!« schrie sie auf.
»Heiß?«
Sie gab einen erstickten Laut von sich.
Er nahm Lappen um Lappen heraus, fing bei den Schultern an und packte ihr den schmierigen Stoff auf die Gelenke, um den Hals und um die Hände; und legte erst trockene Lappen und dann noch eine Dekke darauf, um die Wärme zu halten.
»Ich habe einen Topf von dem Zeug gemacht«, sagte er. »Am Morgen wirrst du die Lappen einfach hinein. Am Abend wärmen wir sie dann wieder auf.« Er tätschelte ihr den verpackten, gutgepolsterten Rücken. »Und mach dir um deine Tugendhaftigkeit keine Sorgen. Diese Salbe würde sogar einem Ziegenbock den Appetit verschlagen.«
Späne flogen, die Axtschläge hallten von den flammendroten Bergen wider. Es wurde Zeit, den Holzvorrat für den Winter aufzustocken. Shoka fällte zwei Bäume und zerteilte sie, Jiro schleppte die Stämme aus dem Wald hinaus, und dann war Taizu an der Reihe: »Das ist genausogut wie das Schwert. Gut für die Schultern«, hatte Shoka gesagt, als er dem Mädchen die Axt reichte.
Sie erhob niemals Einwände, wenn er ihr Arbeiten auftrug. Sie griff die Baumstämme auf die gleiche Weise an, wie sie ihr Training oder den Hügel angegangen war. Das Haar reichte ihr inzwischen bis zu den Schultern. Es glänzte vor Gesundheit. Die Narbe war nur dann noch hell, wenn sie schwitzte; und er beobachtete sie jetzt, da die Sonne auf sie fiel, der Wald herbstlich verfärbt – die gute Nahrung, die Sonne und die gesunde Arbeit hatten ihr Gesicht zum Strahlen gebracht, hatten die mageren Glieder mit Fleisch gepolstert, hatten ihre Bewegungen und ihren anmutigen Gang kraftvoll gemacht.
Wenn sie nur lächeln würde, dachte er, wenn er sie nur zum Lachen bringen oder auch nur wütend machen könnte, wenn sie nur ihre scheue Zurückhaltung abgelegt hätte.
Statt dessen sagte sie: »Ist gut«, ganz gleich, wie unverschämt sein Ansinnen war, solange er nur Distanz zu ihr hielt.
Nur einmal hatte sie ihn seltsam angesehen: als er den zweiten Baum gefällt hatte. Doch als er sie nach dem Grund gefragt hatte, lautete die Antwort:
»Es ist nichts, Meister Saukendar.«
Das sah ihr gar nicht ähnlich, war etwas anderes als die übliche Schweigsamkeit; es war vielmehr eine nach außen gekehrte Aufmerksamkeit, die ihn zum Gegenstand hatte.
Zum erstenmal seit Wochen fielen ihm seine alten Zweifel wieder ein, und er dachte daran, wie sehr er sich an sie gewöhnt hatte, mit welcher Selbstverständlichkeit er ihr den Rücken zuwandte.
Abschätzend. So hatte sie ihn angesehen. Und bei diesem Blick hatte er sie an diesem Tag mehrmals ertappt.
Und am Abend, als er sich mit seiner Schüssel Reis auf die Veranda setzte, fragte er: »Was, zum Teufel, guckst du?«.
»Meister?«
»Gerade eben. Was hast du angeguckt?«
»Nichts, Meister Saukendar.«
Er blickte sie finster an und zeigte mit den Eßstäbchen auf sie. »Gib mir keine solche Antwort.
Nichts, Meister Saukendar.
Deine Augen waren offen. Du warst wach. Was, zum Teufel, hast du angeguckt?«Sie biß sich auf die Lippen und schwieg.
»Geheimniskrämerei kann ich nicht leiden. Haben wir uns schon über Aufrichtigkeit unterhalten? Du wolltest, daß ich dich im Schwertkampf unterrichte. Laß dir eins gesagt sein: Es gehört mehr dazu, als Holz zu hacken oder Hälse abzusäbeln. Du bist zu ehrenvollem Handeln verpflichtet. Wird allmählich Zeit, daß ich dir das beibringe. Wirst du meine
Weitere Kostenlose Bücher