Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
Frage jetzt beantworten?«
    »Mir ist aufgefallen... Ihr rückt ohne Grund von Eurem Schwerpunkt ab, Meister Saukendar.«
    »Was ist mit meinem Schwerpunkt?« Er starrte sie verblüfft an, und sein erster Gedanke war, sie habe den Verstand verloren, und sein zweiter, sie wolle ihn absichtlich beleidigen.
    »Als Ihr mit der Axt gearbeitet habt. Ihr wart aus dem Gleichgewicht.«
    »Wär ja auch noch schöner, wenn's anders wär. Hast du so lange gebraucht, um zu bemerken, daß ich hinke?«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Was meinst du dann?«
    Sie sah ihn an, schluckte hart und sagte: »Als Ihr die Axt benutzt habt. Ihr gebraucht sie ziemlich oft. Ihr dreht dabei Euer Knie und Euren Fuß. Das braucht Ihr nicht zu tun.«
    Unverschämtes Luder
, lag ihm auf der Zunge; seine Worte zum Thema Aufrichtigkeit blieben ihm jedoch im Halse stecken. Er war wütend. Trotzdem mußte er an seinen steifen Rücken denken, der ihm seit dem vergangenen Jahr Sorgen machte.
    Ist es das Alter?
fragte er sich über einem Mundvoll Reis.
    Hat sie recht?
    »Ich wollte nichts Unrechtes sagen, Meister Saukendar.«
    Er funkelte sie nur an. Sie senkte den Kopf und aß.
    Doch beim Aufstehen horchte er in sich hinein, und als er in die Hütte ging, horchte er ebenfalls; er versuchte festzustellen, wie weit sich seine Beine streckten und ob sich sein Rücken beugte, und konnte es nicht sagen.
    Auch am nächsten Tag prüfte er sich, als er nach hinten ging, um selbst ein paar Scheite zu spalten, und verflixt, es stimmte, er krümmte die Zehen auf der lahmen Seite, drehte das Knie nach innen, nicht um dem Bein Schmerzen zu ersparen, sondern in Erinnerung an den Schmerz. Das war die jämmerliche Wahrheit.
    Er holte mit bewußt gestrecktem Bein Schwung und fühlte keinen Schmerz, sondern die Anspannung der geschwächten Muskeln.
    Dann veranlaßte ihn eine Bewegung an der vorderen Ecke der Hütte, den Kopf zu heben, und er stellte fest, daß Taizu ihn beobachtete.
    Verdammt,
dachte er und wußte ohne jeden Zweifel, daß sie begriffen hatte, warum er das Holz heute morgen selbst hatte hacken wollen.
    Zumal als sie sich schuldbewußt zurückzog, als hätte sie nicht gewußt, daß er hinter dem Haus war.
    Jedesmal, wenn er eine gewohnte Tätigkeit ausübte, dachte er daran – wenn er Eimer schleppte, die Verandastufen hinaufstieg, wenn er aufstand oder sich setzte. Er zwang sich, beide Beine gleichmäßig zu belasten, und er wußte, verdammt, er
wußte
es einfach, daß sie sah, wie er aufrechter ging, und den Grund dafür sehr wohl kannte.
    Also war man aufrichtig. Man zeigte Charakter. Man schlug die Schweinehirtin nicht, weil sie offen ausgesprochen hatte, was sie sah. Man war ihr sogar noch dankbar.
    Man wollte auf die Jagd gehen, für drei oder vier Tage, ohne diesen hartnäckigen, berechnenden Blick auf sich zu spüren, ob man nun humpelte oder nicht. Aber irgendwann hätte man zurückkommen müssen, und man würde humpeln oder nicht, man hätte entweder angefangen, etwas gegen diese Angewohnheit zu unternehmen oder nicht, und jedesmal hätte einen das verdammte Mädchen angestarrt und gewußt, daß es recht hatte...
    Also versuchte man, das Bein nicht zu schonen, das war alles; man weigerte sich sogar an einem kühlen Morgen, wenn die alte Wunde schmerzte, zu humpeln. Man ging zum Stall hinunter, wo einen das Mädchen nicht sehen konnte, und machte die Übungen, die man seit Jahren nicht mehr gemacht hatte, bis das Bein so weh tat, daß man die Zähne zusammenbeißen mußte, bis der Rücken schmerzte und man ernstlich wünschte, es wäre einem eine Ausrede eingefallen, um die heißen Kompressen bei sich selbst anwenden zu können; doch auch dies bewies nur, daß Taizu recht hatte...
    Und Shoka verzichtete darauf.

5
    Da kommt ein Junge«, sagte Taizu, die von ihrem Hügellauf noch außer Atem war; kein Grund zur Panik, bloß eine Neuigkeit, denn sie hatten beide auf den Besucher gewartet, seit die Blätter sich rot färbten.
    »Versteck dich«, sagte Shoka; das hatten sie so vereinbart.
    Im Dorf wird gern geklatscht, hatte er gemeint, als er ihr die Angelegenheit erklärt hatte; und Klatsch wird von den Händlern verbreitet, und es ist viel, viel besser, wenn ich nichts Ungewöhnliches tue. Soll das Dorf ruhig glauben, du wärst weg. Laß sie glauben, ich hätte dich wie die anderen weggeschickt. Und als ihm siedend heiß wieder die Banditen einfielen, dachte er: Sie dürfen um Himmels willen nicht erfahren, daß ich ein Mädchen hier oben

Weitere Kostenlose Bücher