Der Paladin
anständig, Meister Saukendar.«
»Nichts ist
anständig
, Mädchen.«
»Außerdem habe ich's nicht auf den armen Fürsten Hos abgesehen, sondern auf Gitu. Es gibt keine Tochter, um die ich mir Sorgen machen müßte. Wenn es eine Tochter gäbe, dann hätte sie sich bestimmt von ihm losgesagt.«
»Er hat zwei Söhne und einen Haufen Krieger.«
»Darum will ich nicht zu ihm in die Burg. Ich werde ihm im Freien auflauern. So werd ich's machen.«
»Mit dem Schwert wirst du ihn niemals erwischen. Nimm den Bogen, ich sag's dir. Das ist deine beste Waffe. Laß dir eines gesagt sein...« Er holte tief Luft. »Tu's, und dann mach, daß du wegkommst. Komm hierher zurück. Hier bist du in Sicherheit. Überleg dir, wie du deinen Feind überleben kannst, verdammt.«
In dem Moment, als er sie aufforderte, zu ihm auf den Berg zurückzukehren, schlug sie die Augen nieder. Das saß.
»Ich bin immer noch der Schuft, nicht wahr?«
»Nein, Meister Saukendar.«
»
Meister Saukendar.
Das ist mein offizieller Name, wenn man
über
mich reden will. Von Angesicht zu Angesicht hat man mich Shoka genannt. Mir war's lieber, du tätest das auch.«
»Ich bin Eure Schülerin, Meister Saukendar.« Ohne den Blick zu heben.
»Ich weiß. Du willst nicht mit mir schlafen. Das habe ich mir gemerkt – so lange ist es noch nicht her. Das wollte ich gar nicht wissen. Ich habe dir bloß erklärt, daß ich diesen Namen nie mochte. Saukendar ist ein verdammter Narr. Eine Geschichte, die man sich erzählt. Ich bin Shoka, schon seit ich ein Junge war. Saukendar hat mich meine Mutter genannt, wenn ich zu spät zum Abendessen kam.«
Sie erzeugte ein eigenartiges Geräusch. Es hätte ein Lachen sein können. Sie hob den Blick nicht von den Händen im Schoß.
»Ich hatte eine Mutter«, sagte er. »So unwahrscheinlich dir das auch vorkommen mag. Ihr Name war Jesai. Sie starb an einem Fieber. Als ich zwölf war. Danach hatte mein Vater nur noch Bedienstete.«
Sie sah ihn nicht an.
»Ein Onkel, eine Tante, zwei Vettern«, fuhr er fort. »Mein Vater war schon alt, als ich geboren wurde. Seine Eltern habe ich nicht mehr kennengelernt. Ich erinnere mich nur noch an die Familie meiner Mutter. An weitere Vettern. Einige leben vielleicht noch.«
Sie reagierte nicht.
»Sogar bei Hofe«, sagte er, »hatten wir Verwandte. So etwas gibt es nicht nur in Hua.«
Immer noch keine Reaktion.
»Verdammt noch mal, Mädchen – Taizu! Ich bin dir in anderthalb Jahren nicht ans Fell gegangen, meinst du, ich würde jetzt zudringlich, bloß weil ich von meinen Verwandten spreche? Ich bin kein verdammtes Denkmal.«
»Nein, Meister Saukendar.«
»Shoka, verflucht! Du könntest mich wenigstens beim richtigen Namen nennen.«
»Dann also Meister Shoka.«
Er seufzte und stützte einen Ellbogen aufs Knie, die Hand im Nacken. »Gütiger Himmel.«
Sie erhob sich und floh zu ihrer Matte, auf ihre Seite des Raums, und nahm darauf Platz, ohne ihn anzusehen.
Nicht lange, und sie hatte eine Beschäftigung gefunden und flocht an dem Seil weiter, dessen Ende sie am Fußende ihres Betts an der Wand befestigt hatte.
»Mädchen. Taizu.«
Ihre Finger flogen. Das Seil verlängerte sich wie von Zauberhand. Sie sah nicht zu ihm her.
»Du stellst meine Geduld wirklich auf eine harte Probe«, sagte er. »Verdammt, ich könnte zur dir hinüberkommen und genauso unhöflich sein. Wo bleiben deine Manieren? Du verhältst dich wie ein furchtsames Kaninchen!«
Das Seil verlängerte sich abermals um die Länge einer Hand. Und ihre Finger hielten inne. »Ich habe zuviel Respekt vor Euch«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Ich will ja tun, was Euch glücklich macht. Aber ich will nicht mit Euch schlafen. Das tue ich nicht. Das ist alles.«
»Danke«, sagte er kühl. Und dachte, mit einem Ziehen im Bauch, daß sie zum ersten Mal Zuneigung gezeigt hatte. Es war jedoch nicht die Art von Zuneigung, die er sich erhofft hatte.
Immerhin besser als Haß.
Aber es wärmte ihm nachts das Bett nicht.
Sie hatten im Schnee geübt; sie hatten auf der Veranda geübt, die Treppe hinauf und hinunter, als Ersatz für schwierigen Untergrund.
Dann übten sie wieder im Hof am alten Baum, bis zu den Knien verdreckt, während ihr Atem in der Luft gefror.
Taizu fiel in den Morast. Er folgte ihr mit dem Schwert, während sie bei dem Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, ein zweites Mal ausglitt. Sie hatte Schlamm wurfbereit in der Hand, warf ihn jedoch nicht.
Er legte den Kopf zur Seite und blickte auf sie
Weitere Kostenlose Bücher