Der Palast
selbst für ihren Tod verantwortlich, weil sie eine Ehebrecherin war, die es nicht besser verdient hatte, und meinen Vater, weil er sie getötet hatte. Hoshina kam nicht nur ungeschoren davon, nein, er war sogar vom Glück gesegnet.«
Der Drachenkönig knirschte mit den Zähnen. Die Wut schien ihn zu verschlingen. Reiko wunderte sich, dass Hoshina der Mann gewesen war, der sich zwischen den Drachenkönig und Anemone gestellt, sie ihrer Zweisamkeit beraubt und Anemone indirekt das Leben genommen hatte.
»In den letzten zwölf Jahren habe ich beobachtet, wie Hoshina im bakufu aufstieg«, sagte der Drachenkönig. »Ich habe erlebt, wie er es zu Wohlstand brachte und immer einflussreicher und mächtiger wurde, während ich um Anemone trauerte. Ich schwor, dass er eines Tages dafür büßen würde, dass er sie vernichtet hat.«
»Warum habt Ihr so lange gewartet?«, fragte Reiko verwirrt.
»Als Anemone starb, war ich noch ein Junge. Hoshina arbeitete bei der Polizei in Miyako. Er hatte einen einflussreichen Vorgesetzten und andere Freunde in hohen Stellungen. Ich aber stand ganz allein da. Damals war ich zu schwach und machtlos, um Hoshina ein Leid zuzufügen; daher wartete ich ab. Ich behielt Hoshina im Auge. Neun Jahre vergingen, ohne dass sich eine günstige Gelegenheit ergab. Dann zog Hoshina nach Edo. Ich folgte ihm, und schließlich schmiedete ich einen Plan.
Als ich eines Tages durch die Stadt ritt, sah ich Fürstin Keisho-in in ihrer Sänfte. Ich sagte zu mir: ›Was hat einen so ungeheuren Wert für den Shōgun, dass er alles geben würde, um es zurückzubekommen?‹ Vor meinen Augen sah ich die Antwort auf meine Frage. Ich beschloss, Fürstin Keisho-in zu entführen und den Shōgun zu zwingen, Hoshina als Mörder hinzurichten, um seine Mutter zurückzubekommen.« Der Drachenkönig freute sich hämisch; die Flammen der Kerzen tanzten in seinen Augen. »Und genau das habe ich getan.«
Reiko hatte geglaubt, nichts könne sie mehr überraschen, doch die neuen Enthüllungen schockierten sie über alle Maßen. »Wollt Ihr damit sagen, Ihr habt uns entführt, weil Ihr Rache an Hoshina üben wollt?«
»Natürlich«, entgegnete der Drachenkönig, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Jetzt wusste Reiko zumindest, was hinter den Verbrechen steckte. Der Drachenkönig hatte wahrlich große Geschütze aufgefahren, um seinen alten Hass zu befriedigen. Wie viele grausame Verbrechen hatte er verübt, um sein höchstes Ziel zu erreichen und einen einzigen Mann zu Fall zu bringen!
»Wie konntet Ihr so viele Menschen töten, nur um Hoshina zu bestrafen?«, rief Reiko. »Wie konntet Ihr die Mutter des Shōgun und uns entführen, die wir Euch niemals etwas zuleide getan haben? Warum müssen wir büßen für das, was Hoshina verbrochen hat?«
»Rache rechtfertigt extreme Schritte«, stieß der Drachenkönig hervor. »Der Tod Eures Gefolges war ein notwendiges Opfer. Dass Ihr leiden müsst, ist bedauerlich, aber es geht nicht anders. Alles, was ich getan habe, musste ich tun, um Hoshina zu vernichten.«
Der Drachenkönig schien stolz auf seine Tat zu sein und begierig darauf, damit zu prahlen. Offenbar machte es ihm nichts aus, Reiko alles zu gestehen. Entweder war es ihm seiner geistigen Verwirrtheit wegen gleichgültig, dass sie es erfuhr, oder er glaubte, sie würde niemals Gelegenheit haben, es jemandem zu erzählen. Sein bis ins Kleinste geplanter Rachefeldzug machte Reiko ebenso sprachlos wie sein Glaube, ihm hätten keine anderen Wege offen gestanden, um Rache zu üben.
»Warum habt Ihr nicht aller Welt verkündet, dass Hoshina die Schuld am Tod Eurer Eltern trägt, und versucht, seinen Ruf zu ruinieren?«, fragte sie. »Warum habt Ihr nicht beim Magistraten offiziell Klage gegen Hoshina eingereicht und verlangt, dass er zur Rechenschaft gezogen wird?«
»Hoshina ist ein einflussreicher Mann. Niemand hätte mir zugehört, wenn ich gegen ihn das Wort erhoben hätte. Kein Magistrat hätte sich in einem Streit auf meine Seite gestellt.«
»Warum habt Ihr Hoshina dann nicht zu einem Duell herausgefordert?« Zweikämpfe waren eine verbreitete Methode, mittels derer Samurai häufig außerhalb des Gesetzes ihre Streitigkeiten austrugen. »Wäre es nicht einfacher gewesen, Ihr hättet ihn selbst getötet, anstatt ihn durch den Shōgun hinrichten zu lassen?«
»Ich will nicht nur Hoshinas Tod«, widersprach der Drachenkönig. »Ich will, dass er öffentlich als Mörder gebrandmarkt, seines Ranges und seiner
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