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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Gewissheit, sich dem unberechenbaren Feind mit jedem Schritt zu nähern, zerrte an seinen Nerven. Kurz darauf stieg Hirata der Geruch von brennendem Öl in die Nase, und er erblickte ein flackerndes Licht, das sich bedrohlich näherte.
    Hirata erstarrte. Instinktiv warf er den Arm zur Seite, um Marume und Fukida aufzuhalten, die ihm auf dem Fuße folgten. In letzter Sekunde versteckten die drei Männer sich im Unterholz, lauschten den sich nähernden Schritten und starrten auf das Licht. Es war eine Flamme in einer Metalllaterne, die ein finster blickender Samurai mit sich führte. Das flackernde Licht warf schaurige Schatten auf das Gesicht des Mannes, der in der Dunkelheit verschwand und zwischen den Bäumen wieder auftauchte. Hirata hielt den Atem an, bis der Samurai an ihrem Versteck vorüber war. Das Herz schlug ihm heftig in der Brust, als er sich vorsichtig erhob. Die Männer setzten ihren Vormarsch noch etwa zwanzig Schritte fort, bis sie andere Lichter erblickten, die sich in verschiedenen Richtungen über die Insel bewegten. Immer wieder wurden sie gezwungen, sich zu verstecken. Auf der Insel wimmelte es von Wachposten. Hirata war bestürzt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Insel sogar nachts so stark bewacht wurde; er hatte gehofft, dass die Entführer um diese Zeit schliefen.
    Würde er Midori finden, ehe er und seine Gefährten entdeckt wurden?
    Den drei Ermittlern, die langsam durch den Wald schlichen, erschien die Zeit wie eine Ewigkeit. Schließlich wurde es ein wenig heller. Hirata, Fukida und Marume verharrten reglos am Waldrand und spähten über den Hof auf den Palast. Das Mondlicht fiel auf Gebäude, die im fahlen Licht an ein Mausoleum erinnerten. Die beschädigten Dächer ragten wie zerfurchte Bergspitzen in den Himmel. Vor den verfallenen, von Weinranken überwucherten Mauern standen in regelmäßigen Abständen Wachposten. Gelegentlich wehte das Geräusch ihrer Stimmen zu den Ermittlern hinüber und vermischte sich mit dem Plätschern des Sees in der Ferne.
    Hirata gab Marume und Fukida ein Zeichen, ihm zu folgen, und kroch um den Palast herum, wobei er den Schutz des Waldes niemals aufgab. Er sah baufällige Gebäude, einen Pavillon in einem verwilderten Garten und überall Wachposten. Allmählich bezweifelte Hirata, dass es ihnen gelingen könnte, dieses dichte Netz der Wachen zu durchdringen und die Frauen zu retten.
    Fukida beugte sich zu Hirata vor und flüsterte: »Wenn wir nach Edo reiten, könnten wir mit einem Trupp Soldaten zurückkehren.«
    Daran hatte Hirata auch schon gedacht. Doch er konnte den Gedanken nicht ertragen, den Rückzug anzutreten, nachdem er es bis hierhin geschafft hatte. »Noch nicht«, raunte er.
    Sie umkreisten den Palast. Vor einem Flügel, der durch einen überdachten Gang mit dem Hauptgebäude verbunden war, hockte ein einsamer Samurai auf der Veranda. An seiner Taille hingen zwei Schwerter. Als der Mond durch die Wolkendecke schien, erblickte Hirata die Mauer des Gebäudes hinter dem Samurai. Sie war verwittert; der Putz blätterte ab. Über dem Kopf des Mannes, auf der rechten Mauerseite, entdeckte Hirata ein Fenster mit Gitterstäben und dahinter einen dunklen Raum. Als er seinen Weg zum Palast und die Suche nach einem unbewachten Zugang fortsetzte, tauchte im Fensterrahmen plötzlich eine schemenhafte Gestalt auf.
    Es war eine Frau, deren langes Haar bis auf die Schultern fiel. Der Mond erhellte ihre Züge. Hiratas Herz machte einen Sprung, als er Midori erkannte. Er blieb so abrupt stehen, dass Fukida und Marume gegen seinen Rücken prallten.
    »Midori«, flüsterte Hirata überglücklich. Er hatte seine Gemahlin gefunden! Von einem leichten Schwindelgefühl erfasst, hielt er sich an einem Baumstamm fest und starrte zu ihr hinüber.
    Midori schaute mit melancholischer Miene aus dem Fenster. Hirata wusste, dass sie an ihn dachte und sich nach ihm sehnte. Er unterdrückte das Verlangen, ihren Namen zu rufen und zu ihr zu laufen. Schließlich wandte Midori sich vom Fenster ab, und die Dunkelheit des Raumes verschluckte sie. Sehnsucht und Enttäuschung stiegen in Hirata auf. Zwar würde es ihm und seinen Männern gelingen, den Wachposten auszuschalten, aber die Geräusche würden die anderen Entführer alarmieren. Und das Risiko eines Kampfes war zu groß. Da der Feind deutlich in der Überzahl war, konnten sie unmöglich siegen.
    »Wir müssen irgendwie in den Palast hinein und Midori und die anderen Frauen befreien«, flüsterte er.

28.
    M
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