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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Einfluss auf den Drachenkönig ist zu gering. Ich kann ihn nicht von seinen Plänen abbringen«, sagte Reiko zu Fürstin Yanagisawa.
    Die Frauen saßen in ihrem Gefängnis, während die Nacht sie in Dunkelheit tauchte. Durch das Fenster drang das fahle Licht des Mondes. Nachdem Reiko soeben zurück in das Quartier gebracht worden war, hatte sie Fürstin Yanagisawa erzählt, was sich zwischen ihr und dem Drachenkönig zugetragen hatte, während Midori das jammernde Neugeborene in den Armen wiegte.
    »Deine Tochter hat Hunger«, sagte Keisho-in. »Es wird Zeit, dass du sie fütterst.«
    »Sie hat einen gesunden Appetit«, sagte Midori, die ihren Kimono aufschlug und das Baby an die Brust legte.
    Reiko, die die Szene beobachtete, wurde von Fürstin Yanagisawas Stimme aus den Gedanken gerissen.
    »Und wenn Ihr den Drachenkönig noch einmal fragt …?«, sagte die Fürstin.
    Reiko schüttelte betrübt den Kopf. »Ich glaube, wenn ich ihn zu sehr dränge, die Insel zu verlassen, wird er wütend. Vielleicht so sehr, dass er uns allen etwas antut.« Sie strich sich über die Wange, die von den Schlägen des Drachenkönigs noch immer schmerzte. Midori und Keisho-in versorgten derweil das Baby. Reiko sprach leise, sodass die anderen nichts hören konnten. »Fürstin Keisho-in ist die Einzige von uns, die der Drachenkönig als Druckmittel benutzen kann, um den Shōgun zu zwingen, Hoshina hinzurichten. Die anderen sind entbehrlich.«
    »Er wird Euch und Euren Freundinnen doch nichts zuleide tun …?« Fürstin Yanagisawas Züge waren vor Angst verzerrt, und sie rückte näher an Reiko heran. »Er liebt Euch doch, weil er glaubt, Ihr wärt vom Geist seiner Mutter beseelt, nicht wahr?«
    »Der Mann ist wahnsinnig«, erwiderte Reiko, die vor Fürstin Yanagisawas erstickender Nähe zurückwich. »Auch wenn er mir offenbar gewisse Gefühle entgegenbringt, ist er unberechenbar.«
    »Selbst wenn Ihr ihn nicht überreden könnt, die Insel zu verlassen … Da wir jetzt nur noch von einem Mann bewacht werden, könnten wir vielleicht auch so entkommen, oder?«, meinte Fürstin Yanagisawa.
    Sie schauten auf das Fenster mit den vermoderten Gitterstäben, das Reiko als Fluchtweg ins Auge gefasst hatte.
    In diesem Augenblick spähte Ota mit mürrischer Miene in das Gefängnis.
    »Hört mir genau zu, kleine Hexe«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf Reiko. »Meinen Herrn könnt Ihr mit Eurem Theater zum Narren halten, aber mich nicht. Ich weiß, dass Ihr nichts Gutes im Schilde führt, und werde Euch nicht aus den Augen lassen. Lasst Euch das eine Warnung sein.« Sein düsterer Blick glitt über Midori. »Ein falscher Schritt, und das Kind ist tot.«
    Er verschwand aus dem Blickfeld der Frauen. Midori schrie auf. Keisho-in verfluchte Ota und schloss Midori und das Baby in die Arme. Fürstin Yanagisawa wandte sich Reiko zu. »Was sollen wir tun?«, fragte sie ängstlich. »Sollen wir warten, bis jemand uns rettet?«
    »Das können wir nicht.« Reiko war überzeugt, dass sie alle sterben würden, wenn sie nicht rechtzeitig von der Insel flohen. Sobald der Drachenkönig erkannte, dass der Shōgun seine Forderung nicht erfüllen würde, wären sie seinem Zorn hilflos ausgeliefert. Doch Ota erwies sich als unüberwindliches Hindernis. Und vor der anderen Alternative graute es Reiko umso mehr.
    »Es gibt nur einen Weg für mich, uns zu befreien«, flüsterte sie. »Wenn der Drachenkönig mich das nächste Mal zu sich ruft, muss ich sein Schwert stehlen und ihn töten. Dann versuchen wir, uns aus dem Palast zu schleichen und zu den Booten zu laufen.«
    Fürstin Yanagisawa nickte mit strahlenden Augen, in denen sich das Vertrauen spiegelte, das sie Reiko schenkte. Reiko indes beschlich ein beklemmendes Gefühl, denn es gab nur eine Möglichkeit, den Drachenkönig zu bezwingen. Und dieser Schritt würde ihr Leben ruinieren. Und selbst wenn sie ihn besiegte, musste sie es mit Ota und den anderen Wachposten aufnehmen, die versuchen würden, ihre Flucht zu verhindern.
    »Dein Leben ist in Gefahr, und ich habe dir noch nicht mal einen Namen gegeben«, jammerte Midori mit Blick auf ihr Töchterchen, das sie an ihren Busen drückte. Die Tradition gebot, dass die Eltern bis zum sechsten Tag nach der Geburt warteten, um einem Kind einen Namen zu geben und das freudige Ereignis zu feiern. »Oh, Reiko -san, werden wir am Tag der Namensgebung wieder zu Hause sein?«
    Reiko betrachtete Midori und das Kleine und spürte, wie Verzweiflung sie überkam. Die

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