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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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er den Shōgun falsch beraten hatte.
    Sano hatte nicht nur sich selbst verdammt, er hatte auch Reikos Vernichtung besiegelt.

14.
    S
    onnenstrahlen strichen über Reikos Gesicht und drangen durch ihre geschlossenen Lider. Schlagartig war sie hellwach. Sie erkannte, dass sie mit dem abgebrochenen Dachsparren auf dem Schoß an der Wand des Gefängnisses kauerte. Das Morgenlicht schimmerte durch die Fensterläden und fiel durch die Löcher in der Decke; Staub tanzte in der Luft.
    Reiko sprang auf. Sie hatte auf die Entführer warten wollen, doch irgendwann im Laufe der Nacht war sie eingeschlafen. Jetzt eilte sie zu Midori, Keisho-in und Fürstin Yanagisawa, die reglos dalagen und schliefen.
    »Wacht auf«, drängte Reiko ihre Freundinnen und rüttelte sie an den Schultern. Als die anderen Frauen stöhnten und sich regten, sagte Reiko: »Die Entführer können jeden Augenblick kommen. Wir müssen uns vorbereiten.«
    Plötzlich waren irgendwo unten im Gebäude Geräusche zu hören; mit lautem Knarren wurde eine Tür geöffnet. Die Frauen sprangen auf.
    »Sie kommen!«, schrie Midori.
    Mit Blick auf Midori und Keisho-in zeigte Reiko auf eine entfernte Ecke ihres Gefängnisses. »Setzt euch dort hin. Beeilung!« Die Frauen gehorchten. Reiko befahl Fürstin Yanagisawa, sich an der Rückseite hinzusetzen, gegenüber von der Tür. Das Gesicht der Fürstin war noch immer schläfrig, ihre Bewegungen träge und langsam.
    »Erinnert Ihr Euch, was Ihr tun müsst?«, fragte Reiko ängstlich.
    Fürstin Yanagisawas zögerndes Nicken flößte Reiko wenig Vertrauen ein. Sie eilte zu ihrem Platz neben der Tür. Kurz entschlossen umklammerte sie den Holzbalken mit beiden Händen und hob ihn wie einen Knüppel über den Kopf. Als die Frauen dann in angespannter Stille warteten, dröhnten auf der untersten Treppe Schritte. Reiko glaubte, diesmal nur zwei Männer zu hören, und verspürte Erleichterung. Je weniger Männer das Gefängnis betraten, desto größer waren ihre eigenen Chancen.
    Die Schritte näherten sich. Draußen gurrten Tauben und setzten sich mit lauten Flügelschlägen aufs Dach. Plötzlich sagte Fürstin Yanagisawa: »Reiko -san ?«
    »Was ist?«, erwiderte Reiko schroff. In diesem kritischen Augenblick stand ihr nicht der Sinn danach, Gespräche zu führen.
    »Gestern habt Ihr gesagt, Ihr glaubt, mein Gemahl würde mich lieben. Habt Ihr das ernst gemeint?« Fürstin Yanagisawa blickte Reiko so eindringlich an, als hinge von deren Antwort alles ab.
    Reiko war überrascht, dass Fürstin Yanagisawa in ihrer Bewusstlosigkeit offenbar alles verstanden hatte, was sie ihr gesagt hatte. Obwohl Reiko die Lüge schmerzte, durfte sie Fürstin Yanagisawa auf keinen Fall verstimmen, indem sie ihr die Wahrheit sagte. »Ja, ich habe es ernst gemeint«, behauptete sie und schaute auf den Boden.
    Der Klang der Schritte verstummte vor der Tür. Reiko schlug das Herz bis zum Hals. Keuchend umklammerte sie den Balken. Keisho-in und Midori schauten ängstlich auf den Eingang des Gefängnisses. Dann wurde die Tür geöffnet. Der brutale Samurai, der schon gestern gekommen war, trat ein. Im selben Augenblick warf Fürstin Yanagisawa den Kopf zurück und stieß einen grässlichen Schrei aus. Sie riss ihren Kimono auf und entblößte ihren Busen. Wie von Sinnen zerrte sie an ihren Brüsten und zerkratzte mit den Fingernägeln ihre Haut.
    Der Samurai wechselte beim Anblick der Frau, die offenbar den Verstand verloren hatte, die Farbe. Auch Reiko, Midori und Keisho-in starrten offenen Mundes auf Fürstin Yanagisawa, die noch immer schrie und deren Körper heftig zuckte. Sie erfüllte ihre Aufgabe, die Männer abzulenken, besser, als Reiko erwartet hatte. Der Samurai achtete nicht auf Reiko, denn die kreischende Fürstin fesselte seine ganze Aufmerksamkeit. Reiko holte aus und verpasste dem Samurai einen kräftigen Schlag mit dem Dachsparren. Der Balken traf seine Schläfe – und brach entzwei. Die lange, abgebrochene Hälfte fiel zu Boden. Der Samurai knurrte erstaunt und wirbelte zu Reiko herum. Seine Augen funkelten vor Wut und Schmerz. Er zog sein Schwert und näherte sich den Frauen mit schwankenden, unsicheren Schritten.
    Reiko überkam blankes Entsetzen, als ihr Blick vom Samurai zu dem unbrauchbaren Holzstumpf in ihrer Hand wanderte. Nun schrien auch Keisho-in und Midori. Halb nackt, blutend und keuchend, ließ Fürstin Yanagisawa sich auf alle viere fallen.
    Plötzlich verdrehte der Samurai die Augen und fiel bewusstlos zu Boden.
    Der

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