Der Palast
ich vertraut habe, habt Euch mit Sano -san verschworen, um mich zu täuschen. Euer Pakt … äh, kommt einem Hochverrat gleich und muss entsprechend bestraft werden.«
Sein dürrer Körper zitterte vor Wut. Ehe Sano oder Yanagisawa etwas erwidern konnten, rief der Shōgun: »Wachen! Bringt sie zum Richtplatz! Sie sollen zusammen mit ihrem … äh, Kumpan sterben, der ihnen mehr am Herzen liegt als ich.«
Auf Sano und Yanagisawa liefen jeweils zwei Wachen zu. Sano sah seine eigene Todesangst in Yanagisawas Augen, als die Wachen sie packten. Über Jahre hinweg war es beiden Männer immer wieder gelungen, der ständig lauernden Lebensgefahr zu entgehen, die jeden im bakufu bedrohte, doch nun nahm ihre Glückssträhne ein jähes Ende. In Sano stieg grelles Entsetzen auf, als er an seinen Tod und die furchtbare Demütigung dachte, vom Shōgun als Verräter gebrandmarkt zu werden. Hoshina, den die Wachen noch immer in ihrer Gewalt hatten, stöhnte, als er begriff, dass nun alles verloren war.
»Eure Entschlossenheit ist bewundernswert, Herr, aber ich muss Euch warnen, bevor Ihr einen schwerwiegenden Fehler begeht«, sagte Yanagisawa, als die Wachen auch ihn ergriffen. Seine Augen funkelten vor Zorn; Schweiß schimmerte auf seiner Haut. Sano hatte den Kammerherrn noch nie so verzagt gesehen.
»Wenn Ihr Hoshina hinrichten lasst, Herr, verurteilt Ihr Eure Mutter zum Tode«, fügte Sano rasch hinzu. Als er sich gegen die Umklammerung der Wachen wehrte, wünschte er sich, die Entführer hätten etwas anderes als Hoshinas Hinrichtung gefordert. »Wer wird Eure Mutter retten, wenn Ihr uns hinrichten lasst?«
Mit gequälter Miene und gerunzelter Stirn schwankte der Shōgun von einer Seite zur anderen. »Priester Ryuko hat gesagt … äh, er könne mir helfen.« Seine blinzelnden Augen wichen Sano und Yanagisawa aus. »Er hat gesagt, die Orakelknochen hätten euch beide als Dämonen offenbart, die das Regime bedrohen. Wenn ich … äh, meinen Hof von euch befreie, wird die Harmonie der kosmischen Kräfte wieder ins Gleichgewicht kommen, und meine Mutter wird vom Bösen befreit.«
»Priester Ryuko lügt«, sagte Yanagisawa geradeheraus; er zog es vor, den Priester offen zu brandmarken, als sein Leben kampflos aufzugeben. »Wenn er ein so großer Zauberer ist, wie er behauptet, hätte er die Entführung vorhersehen und sie verhindern müssen. Er hat Euch getäuscht, nicht wir.«
»Äh … ich …« Der Shōgun verstummte und schürzte die Lippen.
Sano war erleichtert, dass Yanagisawa den Einfluss des Priesters und den Glauben des Shōgun an sein eigenes Urteil erschüttert hatte. Dennoch zerrten die Wachen Sano, Yanagisawa und Hoshina zur Tür, ohne dass der Shōgun einschritt. Sanos Hoffnung verflog, und die Panik steigerte sich ins Unerträgliche. Wenn es ihm nicht gelang, seinen Herrn umzustimmen, würde er in Ungnade einen schändlichen Tod sterben. Und Reiko würde sein Schicksal teilen; so verlangte es das Gesetz. Und das nur, weil seine Ehre ihn gezwungen hatte, Hoshina zu beschützen, der diesen Schutz gar nicht verdiente, und weil es ihm nicht gelungen war, den Shōgun zu überzeugen, dass Hoshinas Hinrichtung ihr Problem nicht lösen würde.
»Ja, Priester Ryuko ist ein Betrüger«, pflichtete Sano dem Kammerherrn bei. Nun konnte es ihm auch nicht mehr schaden, wenn er schlecht über diesen mächtigen Mann sprach, als wenn er schwieg – sterben musste er ohnehin, falls nicht ein Wunder geschah. »Ihr braucht uns, Herr. Wir sind Eure einzige Hoffnung, die ehrenwerte Fürstin Keisho-in zu retten.«
Der Wankelmut des Shōgun und seine Neigung zu verzagen, sobald jemand ihm widersprach, ließen ihn in seiner Entschlossenheit ins Wanken geraten.
»Wenn Ihr uns vernichtet, ist Eure Mutter verdammt«, sagte Kammerherr Yanagisawa. »Wenn Ihr uns verschont, werden wir sie unversehrt zu Euch zurückbringen.«
Es verging eine halbe Ewigkeit, während Tokugawa Tsunayoshi um eine Entscheidung rang. Die Krähen im Garten krächzten wie die Aasgeier auf dem Richtplatz. Schließlich wandte der Shōgun sich den Wachen zu und hob zögernd eine Hand. Die Wachen verharrten mit Sano, Yanagisawa und Hoshina auf der Schwelle.
»Bis jetzt habt Ihr meine Mutter nicht gefunden. Warum sollte ich … äh, Euch glauben, dass Ihr sie je retten werdet?«, fragte Tokugawa Tsunayoshi.
Sano erkannte wieder einmal, dass Krisensituationen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen auslösten, und beim Shōgun schärften solche Situationen stets
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