Der Papstkäufer
Komplex mit mehreren Palästen, Gästehäusern und Theatern. Die Zeiten waren lange vorbei, das römische Imperium untergegangen, mit ihm seine Gebäude. De Fredis’ neue Reben sollten ihren Platz nun zufällig ausgerechnet über dem ehemaligen Privatgemach Neros finden. Der Winzer schlug mit der Spitzhacke zu und hörte ein hohles Geräusch. Er grub weiter, fand einen Zugang und sah im Halbdunkel drei Gestalten aus Marmor, die gerade von zwei riesenhaften Schlangen erwürgt wurden. Ein weiterer, eigentlich unglaublicher Zufall: Der nächste Spaziergänger, der gerade vorbeikam, hieß Michelangelo. Der erkannte sofort die Bedeutung des Fundes und informierte seinen Brötchengeber, Papst Julius II. Genau vier Wochen nach dem Auffinden der Laokoon-Gruppe stand die Skulptur bereits im Vatikan. Die sechshundert Goldgulden, die ihrem Finder großzügig bezahlt wurden, stammten natürlich aus der Schatulle Johannes Zinks.
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Das Fugger-Imperium wuchs und wuchs ins schier Unermessliche. Ein gewichtiger Grund dafür war sicherlich die äußerst effiziente Arbeit der Faktoren in den wichtigen Städten. Nicht nur Johannes Zink in Rom, auch die Herren Kohler in Venedig, Zimmermann in Lissabon oder Prechter in Straßburg hatten im Sinne der Fugger ganze Arbeit geleistet.
Jakob Fugger hatte jedoch früh erkannt, dass sich mit dem neuen Erfolg der spanischen und portugiesischen Schifffahrt auf dem Atlantik und nach Indien die wichtigen Handelsrouten langsam, aber sicher verschoben. Das traditionelle Fuggergeschäft, der Handel mit Salz, Kupfer, Silber und anderen Metallen, hatte sich in Mittel- und Osteuropa abgespielt. Und gerade war der deutsche Fondaco in Venedig zudem noch einer verheerenden Brandkatastrophe zum Opfer gefallen. Ein Grund mehr, sich anderswo umzusehen. Wollten die Fugger den Anschluss nicht verlieren, musste Jakob handeln. Und das tat er. Wenn auch vorsichtig, wie bei allem Neuland, das er betrat. Die Stadt seiner Wahl für die zukünftigen Überseegeschäfte wurde Antwerpen. Der Hauptgrund für diese Wahl waren in erster Linie die besseren Handelswege aus dem Osten und dem Alpenraum. Jakob Fugger wollte aber auch auf keinen Fall in die Abhängigkeit des portugiesischen Hofes geraten, den er für unberechenbar hielt. Dort würden sie zudem immer nur die zweite Geige spielen, nach den Welsern, die in Lissabon fest im Sattel saßen.
Natürlich fiel diese Entscheidung nicht nur zu Lasten Lissabons.
Sondern auch Venedigs, wenngleich der Doge Lionardo Loredan zugesagt hatte, den Fondaco wieder aufzubauen.
Und nicht zuletzt auch zu Ungunsten Roms.
Johannes Zink sah seinen Regierer immer seltener und wurde immer selbstständiger, auch im unguten Sinne.
Klammheimlich hatte sich die geschäftliche Sphäre der römischen Fugger-Filiale über die Jahre vom offiziellen Bankgeschäft mit dem Vatikan, mit Kirchen- und Kaufleuten, in eine offizielle, teilweise illegale, verschoben. Um sein eigenes Konto weiter zu füllen, beschritt Johannes Zink in der nächsten Zeit neue Wege, besser gesagt: Abwege.
Auf die Idee dazu gebracht hatte ihn sein alter Freund Melchior von Meckau. Wieder einmal hatten sie gefressen und gesoffen, bis sie beide aus vollem Hals gekotzt hatten. Beide hatten sie gelacht, sich abgewischt beziehungsweise abwischen lassen und gleich weitergefressen. Es gab Heringe mit scharfem Senf, gebratenen Rochen, Krebse, Miesmuscheln mit Schale, Hecht und gekochte Kastanien. Dazu den immer verfügbaren guten Falerner Wein. Während sie die allgemeine Lage erörterten, sich über Kardinäle und Bischöfe, Kaiser und Könige das Maul zerrissen, hatte von Meckau süffisant angemerkt:
»Das Beste, was sich unsere Mutter Kirche neben den Ablässen hat einfallen lassen, waren wohl die Reliquien. Ich werde ja demnächst für meine treuen Dienste an der Kirche mit einer eigenen Titelkirche geehrt werden. Der Papst plant, mich mit Santo Stefano Rotondo auf dem Hügel Caelius im Rione Monti zu belohnen.«
Das war einmal eine Neuigkeit, die der ansonsten beinahe allwissende Zink noch nicht wusste. Er nickte anerkennend.
»Und was hat das mit Reliquien zu tun?«
»Ganz einfach: Santo Stefano ist, wie der Name schon sagt, dem Heiligen Stephanus gewidmet, dem ersten Märtyrer unserer Christenheit. Und was, wenn die Kirche die Gebeine dieses Heiligen beherbergen würde? Dann würde sich die Zahl der Gläubigen dort, wie auch die Höhe der Einnahmen, vervielfachen. Wenn der Bischof von Ostia schon die Steine
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