Der Papstkäufer
nicht herausrückt, mit denen Stephanus gesteinigt worden ist, dann hätte ich wenigstens gerne seine Knochen.«
Zink konnte nichts anderes als zustimmen.
»Aber wo sind die Gebeine des Heiligen Stephanus?«
»Das weiß niemand so genau. Gesteinigt worden ist er in Jerusalem. Dreihundert Jahre danach hatte ein einfacher Priester eine Offenbarung, die ihn zum angeblichen Grabmal des Märtyrers führte. Die dort gefundenen Gebeine sind dann von Jerusalem nach Rom und Konstantinopel und zurück gewandert, sogar das Gewand des Heiligen ist inzwischen aufgetaucht. Und wenn ich jetzt plötzlich in den Besitz der Stephanus-Gebeine gekommen wäre? Wer sollte da noch zwischen echt und unecht unterscheiden können? Außer dem Papst.«
Johannes Zink hatte verstanden.
Denn die Expertise des Papstes war käuflich.
Was hatten er und seine Vorgänger nicht schon alles zur Reliquie erklärt? Vom Lendentuch Christi und dem Gewand Johannes’ des Täufers in Aachen bis zu einem Tuch im spanischen Oviedo, auf dem Jesus angeblich gekniet hatte. Jede noch so kleine und unbedeutende Kirche wollte ein Stück eines Heiligen besitzen. Oder etwas, das ein Heiliger zumindest berührt hatte. Schon Hunderte Jahre zuvor hatten Spötter behauptet, keine zwölf Ochsen seien in der Lage, einen Karren zu ziehen, auf dem alle Stücke vom Kreuz Jesu lägen, die überall im Umlauf waren und angebetet wurden. Aber trotz aller Kritik, die Menschen glaubten daran.
Im Laufe der nächsten Monate überschwemmten Reliquien den Markt. Die Gläubigen in ganz Europa, ganz besonders jedoch in Deutschland, Skandinavien und Polen, dürsteten regelrecht nach diesen kleinen, erschwinglichen heiligmäßigen Glücksbringern für jedermann. Der Reliquienkult machte nicht etwa halt bei Knochen, Haaren, Finger- und Fußnägeln oder Gewebe von Heiligen. Auch Stofffetzen, Schuhsohlen, Holzsplitter, sogar Marterwerkzeuge oder Teile davon – alles, was den gutgläubigen Christen halbwegs plausibel erklärt werden konnte, wurde verkauft. Und zuerst hergestellt. Der Nachweis, ob eine Reliquie echt oder gefälscht war, war im Prinzip unmöglich zu erbringen.
Zink hatte mit Melchior von Meckau nicht ohne ernste Hintergedanken gescherzt, sogar die kompletten ›Arma Christi‹ nachzumachen.
»Die Waffen Christi als echte Reliquien, das wäre natürlich der größte Schatz der Kirche«, hatte der Brixener Bischof einmal im Rahmen ihrer Plaudereien erwähnt. Zink war jedoch nicht bibelfest genug, um den Begriff einordnen zu können. Daher hatte Melchior von Meckau nachgeholfen:
»Mit den ›Arma Christi‹ sind keineswegs Waffen gemeint, sondern all das, was den Leidensweg unseres Herrn veranschaulicht: Kreuz, Dornenkrone, Lanze, Hammer, drei Nägel, Zange, Leiter, Geißelsäule, ein Stock mit Essigschwamm, die Würfel der Soldaten, eine Peitsche, ein Strick, eine Rute, eine Laterne, die Geldbörse des Judas, ein Hahn sowie zu guter Letzt das Schweißtuch der Veronika.«
Damit war klar, dass all dies nachzumachen ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Dennoch: »Nägel, Würfel, Peitsche, Strick und Rute sollten machbar sein«, insistierte Zink. Und er wies seine Zulieferer entsprechend an. Als diese dann tatsächlich überdies sogar noch drei mumifizierte Hähne lieferten, die als ›Hahn, der an jenem Morgen dreimal krähte, als Petrus unseren Herrn Jesus verleugnete‹ angeboten wurden und sogleich dankbare, zahlungskräftige Abnehmer fanden, da fand Zinks Häme über diese gutgläubigen Dummköpfe kein Ende mehr.
Mehrere Werkstätten arbeiteten für Zink, um die geforderten Reliquien möglichst echt nachzuformen. Mit echter Patina, je älter aussehend, umso teurer konnte der Schund verkauft werden. Verschiedene Priester hatte er auf seiner Lohnliste, die nichts anderes taten, als sich permanent ergreifende Heiligengeschichten zu den echt antiken Neuschöpfungen auszudenken.
Bei besonders gelungenen Kreationen durfte der Papst auch schon einmal offiziell den Segen der Authentizität erteilen. Gegen bare Münze, versteht sich.
Johannes Zink verdiente prächtig dabei. Aber auch die Fugger, die Transport und Endverkauf regelten, gingen beileibe nicht leer aus. Ganze Wagenladungen voller neuer, alter Reliquien überquerten mit schöner Regelmäßigkeit den Brenner, um im Norden Europas für teures Geld unters naive Christenvolk gebracht zu werden.
Nur Jakob Fugger litt persönlich unter Zinks Reliquienfälscherei. Er, der gläubige Katholik, investierte seit Jahren
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