Der Papstkäufer
Credo, das er auch seinem Faktor zu Beginn ihrer langen Partnerschaft förmlich eingebläut hatte, war stets gewesen: »Wenn Ihr mit gleichberechtigten Partnern Geschäfte macht, dürft Ihr keine Nachsicht zeigen, sonst verliert Ihr. Und verlieren ist für uns verboten!«
Verlieren durfte Zink gegen den Papst nur beim Kartenspielen. Leo liebte es, bei schlechtem Spielverlauf seine Zuflucht bei den Sternen und diversen Göttern, nicht jedoch dem christlichen, zu suchen. Zink war beim Kartenspiel bald so versiert, dass er, je nachdem, ob er von Leo einen Gefallen benötigte oder dieser von ihm, gewinnen oder verlieren konnte. Ohne, dass Leo es merkte.
Ein ungewöhnlich zeitiger Wintereinbruch, große Kälte und früher Schneefall hatten die Stadt in eine winterliche Landschaft verwandelt. Die Schneedecke wurde dicker. Und urplötzlich, Anfang Dezember, hellte sich der Himmel auf, mildes Wetter brachte den Schnee zum Schmelzen. Starke Regenfälle setzten ein. Der Tiber schwoll an, schnell, unaufhaltsam und mit ungeheurer Kraft. Die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten. Häuser, Brücken und Stege am Ufer wurden mitgerissen. Menschen versanken mitsamt ihren Pferden und Kutschen in den Fluten. Einige von denen, die sich am Ufer noch festklammern konnten, wurden von mitgerissenen Mühlrädern und anderen größeren Holzstücken erschlagen. Große Lebensmittelvorräte wurden zerstört. Ohne Mühlen gab es auch längere Zeit nach der Flutkatastrophe nicht genügend Brot. Häuser und Keller in zweiter Reihe liefen voll. Die Menschen wurden in ihren Betten von der Flut überrascht. Wertvolle Kunstwerke in den Kirchen nahe des Tiber wurden vernichtet, kostbare Mosaikböden zerstört. Friedhöfe überschwemmt und Särge ausgeschwemmt, die oben auf dem Wasser trieben. Die gespenstische, apokalyptische Atmosphäre trieb die Menschen in die Kirchen, wo sie sich Hilfe erhofften vor diesen Zeichen des Himmels. Sie befürchteten ein Gottesgericht, eine große Abrechnung mit ihrer gottlosen Stadt. Von den Predigern bekamen sie aber nur leere Worte zu hören. Die versuchten eher, ihre eigene Habe zu retten. Auch wenn der Papst Prozessionen anordnete, um die Barmherzigkeit Gottes anzurufen, für die meisten Römer blieb dies ein Warnzeichen des Himmels. Als sichtbarstes Zeichen, noch lange nach der Katastrophe, blieb das Wasser in den tiefen Gräben rund um die Engelsburg stehen. Nachdem das Hochwasser zurück gegangen war, kam eine große Zeit der Kredite für den Wiederaufbau.
Die Fuggerbank war, obwohl nahe dem Tiber, aber höher gelegen, unbeschadet geblieben. Im Gegensatz zu zwei anderen Banken, die mitsamt Kontor und Geldvorräten untergegangen waren. Die Zinsen stiegen, Zinks Profite ebenso.
»So eine Flut hat auch ihre Vorteile«, war sein persönliches Resümee, das er jedoch mit niemandem teilte.
Im Frühjahr darauf gab es – wieder einmal – einen Rückschlag für die Firma Fugger: Papst Leo X. kündigte den Pachtvertrag über die päpstliche Münze und übergab sie an Florentiner Bankiers, die unter der Flut mehr gelitten hatten als die Fuggerbank. Zinks Einwände, dass sie gerade für viel Geld einen Neubau für die päpstliche Münze errichtet hatten, wischte er einfach beiseite.
»Zink, die Kündigung betrifft die Fugger, nicht Euch.«
Drei lange Jahre sollte es dauern, bis die Fuggerbank wieder Münzpächter werden sollte.
Nur zwei Monate später machte der Papst jedoch wieder alles gut. Zinks gutes Einvernehmen mit Leo sollte nun endgültig belohnt werden. Zink war schließlich, mit Mitte fünfzig, dort angekommen, wo er immer schon hingewollt hatte. Er stand vor dem Spiegel und musterte sich selbst mit kritischen Augen. Heute musste alles passen, durfte nichts danebengehen. Heute war sein großer Tag, der wichtigste seines bisherigen Lebens. In weniger als einer Stunde hatte er eine Audienz bei Papst Leo X. Dort würde er, wenn alles gut ging, seine Ernennung zum päpstlichen Kanzleischreiber in Empfang nehmen. Als Kanzleischreiber der Kurie war er eine der wichtigsten Vertrauenspersonen des Papstes. Gleichzeitig würde diese Ernennung aus ihm ganz offiziell einen hochrangigen Kleriker machen. Mit entsprechenden Ansprüchen und Rechten. Und als päpstlicher Familiare war er ab sofort ausschließlich der päpstlichen Gerichtsbarkeit unterstellt. Kein weltliches Gericht konnte ihm mehr etwas anhaben. Für einen Kaufmann eine fürwahr verlockende Vorstellung! Gleichzeitig sollte er heute noch zum
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