Der Papstkäufer
Pronotar ernannt werden, im Verbund mit allen Rechten und Titeln eines Lateranensischen Pfalzgrafen und Ritters.
Die Zeit verrann, die Stunde des großen Auftritts rückte näher.
Schon hörte er das Läuten des Kutschers, gefolgt von dessen ungeduldigem Ruf.
Geziert setzte sich Johannes Zink seinen Hut auf, den er eigens für die heutige Vorstellung gekauft hatte. Nicht von ungefähr hatte der Papst ihm bereits seit zwei Jahren eine Reihe lukrativer Pfründen reserviert; heute würde er sein Versprechen einlösen können.
Noch ein allerletztes Mal in den Spiegel geschaut, der ihn die gesamte fette Provision einer größeren geschäftlichen Transaktion gekostet hatte. Spielerisch tänzelnd – niemand war ja Zeuge seiner lächerlichen Eitelkeit, drehte er sich einmal um seine eigene Achse, den Blick immer auf das kostbare Glas geheftet.
Ein schöner Mann war er einst gewesen, stattlich war er jedoch immer noch, trotz seines Alters, er, der Johannes Zink aus Augsburg.
Die Haare waren fast alle noch da, ebenso die Zähne. Wenn auch der eine oder andere Zahn ihm bisweilen große Pein bereitete, besonders der Stockzahn rechts oben, aber das war normal für sein Alter.
Zwar wölbte sich mittlerweile ein Bauch des Wohlstands in seiner Mitte, dies machte ihn jedoch in seinen Augen nur noch männlicher.
Eine rot-schwarze, leicht protzige Almosentasche, wie sie jeder Reiche, der etwas auf sich hielt, mit sich führte, hing links an seiner Hüfte herunter. Aus feinster Seide, mit Goldfäden durchwirkt. Die Münzen klimperten, zu prall durfte der Beutel jedoch nicht gefüllt sein. Er hatte ja nichts zu verschenken, es ging ihm lediglich ums Ansehen, den guten Ruf, beim Almosen geben.
Großes hatte er geleistet in den letzten Monaten, in der Tat. Dieser unerhörte Jubelablass, der die Truhen der Fugger voller machen sollte als alles, was es je vorher gegeben hatte, der war in erster Linie sein Werk.
Den Weg zum Papst wollte er heute zu Fuß gehen. Keine Kutsche, keine Sänfte. Die Straßen waren trocken und der kurze Weg zum Vatikan halbwegs sauber.
Die Vorfreude auf den Triumph wollte er ganz alleine genießen.
Ein kurzer Befehl an seinen Diener, die Kutsche wieder fort zu schicken.
Mit einem parfümierten Zahnstocher aus Sandelholz entfernte er schnell einen Essensrest, den er beim Blick in den Spiegel noch rechtzeitig gesehen hatte, aus der Lücke zwischen seinen Schneidezähnen.
Ein allerletzter prüfender Blick in den Spiegel.
Sein Blick, mit dem berühmten Zink-Blau in den Augen, war immer noch da.
Beruhigend.
Er sollte langsam losgehen.
Dieser Tag würde vieles ändern in seinem Leben.
Lange hatte er darauf hingearbeitet.
Heute war Zahltag, der Tag der Ernte.
Man schrieb den 23. März 1515.
Es war ein schöner, sonniger Frühlingstag in Rom.
Einige Stunden später spazierte der lachende, frischgebackene päpstliche Kanzleischreiber, Pronotar und Lateranensische Pfalzgraf und Ritter Johannes Zink aus dem Lateranpalast und wünschte sich, dieser Tag möge niemals enden.
Dem Ablassgeschäft mit den Fuggern hatte der Papst – allen sonstigen Differenzen zum Trotz – zu keiner Zeit widerstehen können und war dahingehend immer großzügiger geworden. Dabei ignorierte er geflissentlich, dass der Unmut über den Sittenverfall und den Ablasshandel beim Klerus wie auch bei den Gläubigen bereits Ausmaße angenommen hatte, die für Gesprächsstoff in Rom und anderswo sorgten.
Besonders Pasquino nahm sich ihrer an. Nicht nur der Papst, auch Zink und Jakob Fugger, waren nun regelmäßig Opfer dieser ›statua parlante‹ der ›sprechenden Statue‹, einer Institution Roms. Seit einige Jahre zuvor Kardinal Oliviero Carafa bei der Renovierung seines Palastes auf eine alte, verstümmelte Steinbüste gestoßen war, die er an einer Ecke seines Palastes hatte aufstellen lassen, war diese vom Volk sogleich ›Pasquino‹ getauft worden.
Und seither – Zufall oder auch nicht, führte jedes Frühjahr am 25. April, dem Tag des Heiligen Evangelisten Markus, eine Prozession exakt am Kardinalspalast und an Pasquino vorbei. Irgendwann hatten Studenten begonnen, an diesem Tag frivole Botschaften an die Büste zu heften, andere taten es ihnen nach. Unzählige Nachrichten waren in den Jahren dort deponiert worden. Liebesbotschaften ebenso wie politische, Spottverse wie Lobpreisungen. Pasquino hatte die Funktion übernommen, die Jahrhunderte später Zeitungen erfüllen sollten. So entstand in kurzer Zeit ein Brauch,
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