Der Papstkäufer
sein. Haare und Zähne hatte er lassen müssen, nicht zu knapp. Und das, was ihm davon verblieben war, war überwiegend grau und schwarz geworden.
Nein, ein schöner Mann war er beileibe nicht mehr, er, der Johannes Zink aus Augsburg. Von dessen früherer, schlanker Erscheinung waren nur noch die dünnen Beinchen übrig geblieben. Der mächtige Kugelbauch des Wohlstands wölbte sich im Zentrum seiner Figur, so dass er aussah wie ein Ball auf zwei Kienspänen. Seine dünnen Waden über den inzwischen dicken, gichtgeschwollenen Knöcheln störten ihn schon ein wenig. Die ebenso mageren Oberschenkel kaschierte er meist mit weiten, diesmal roten Hosen, die nach Art der italienischen Mode kurz unter dem Knie endeten und dort zusammengebunden waren.
Wie seit seiner vorigen Beförderung üblich, durfte er alleine und formlos Leos Arbeitszimmer betreten. Er war einige Minuten zu früh dran. Seit sowohl er wie auch der Papst stets diese neuartigen, praktischen Sackuhren bei sich führten, gab es keine Ausreden mehr für Unpünktlichkeit. Zink hatte sich in Nürnberg ein besonders schönes Exemplar anfertigen lassen. In Apfelform, mit einem vergoldeten Gehäuse. Sie schlug jede Stunde und lief mit einem einmaligen Federaufziehen bis zu vierzig Stunden lang. Und weil sie so schön war, hatte er für Papst Leo auch gleich ein Exemplar gekauft. Der hatte sich gefreut wie ein König.
Er wartete noch die exakte Minute ab, dann öffnete er die schwere, große, goldbeschlagene Eichenholztüre. Auf leisen Sohlen trat er ein.
Als Zink vor Leo trat, war dieser gerade mit dem Lesen einer Urkunde beschäftigt. Leo schaute auf, zog seine Brille aus, noch so eine neue Erfindung, die er mit Erfolg gegen seine zunehmende Kurzsichtigkeit verwendete, und stand auf. Beinahe schon kollegial legte er Zink die Hand auf die Schulter und sagte ohne allzu viel Ernst:
»Mein lieber Zink, im Rest des Reiches ist es erforderlich, dass ich Euch überprüfe, ob Ihr Mängel in der Grammatik, im Gesang oder im Rezitieren des Stundengebets aufweist. Falls dies der Fall wäre, müsste ich Euch zurückweisen.«
Zink verneigte sich gespielt huldvoll, während er den Papst schelmisch angrinste.
»Kann ich davon ausgehen, dass Ihr alles vorab Genannte hinreichend beherrscht?«
Zink nickte ergeben, während Leo X. genau wusste, dass Johannes Zink noch nie ein Gebet gesprochen, geschweige denn ein Kirchenlied gesungen hatte. Lediglich die Grammatik beherrschte er als Jurist gut, eigentlich perfekt. Für viele zu perfekt. Aber sei’s drum.
Der Papst schaute Zink an und nickte.
Beide lachten herzhaft.
Einige weitere Weihen und Pfründen Zinks gingen außerdem auf das Konto Jakob Fuggers. Während Zink in Rom in vorderster Reihe stand, zog Jakob hinter den Kulissen immer wieder mal intrigant die Fäden. Und wenn der für eine seiner Stiftungen, ein Mitglied seiner Familie oder einen sonstigen Günstling Unterstützung oder gar einen Posten aus Rom plante, schob er Zink als Strohmann vor. Der nahm gerne von beiden Seiten, die Pfründe von der Kirche, den Lohn von Fugger, so lange, bis Jakob Fugger den Posten benötigte.
Dann gab er die Pfründe unauffällig ab, nicht ohne nochmals zu kassieren.
Doch es braute sich Unheil zusammen.
Die Ausbeutung der Pfründen zog sehr schnell großen Unmut auf sich. Sowohl bei den gläubigen Zahlern wie auch den Oberen.
Denn die Fürsten, weltliche wie kirchliche, begannen, sich gegen den Jubelablass aufzulehnen, noch bevor er richtig angelaufen war. Eines nämlich hatte Zink in seiner Gier, bei all seinem Verhandlungsgeschick, übersehen: Dadurch, dass alle anderen Ablässe auf einmal ungültig wurden, schufen sie sich viele mächtige Feinde. Fürsten, die bislang prächtig an kleineren Ablässen mitverdient hatten, fehlte plötzlich Geld in der Kasse.
Damit der Aufstand gegen diesen Ablass, der auch ein Aufstand gegen den Papst und die Fugger wäre, tatsächlich losbrechen sollte, fehlten nur noch zwei Faktoren:
Ein passender Anlass, gewissermaßen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte.
Und Menschen, die einen solchen Aufstand anführten.
Beides sollte schneller auf der Weltbühne erscheinen, als dem Papst, Jakob Fugger und Johannes Zink lieb war.
Zudem zog Jakob Fugger in Augsburg einige unliebsame Aufmerksamkeit auf sich, weil er bei der Bischofswahl in Augsburg gedroht hatte, seinen Favoriten zum Bischof zu machen, denn Papst und Kaiser habe er in seinem Sack. Das hörte niemand gerne.
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