Der Papstkäufer
und hatte sein Leben als Lehrer für theologische Fragen verbracht. Viele Dispute und lange Erfahrung hatten ihn jedoch außergewöhnlich eloquent gemacht. Er kannte alle rhetorischen Tricks und wusste auf jede noch so verzwickte theologische Frage eine einfache, verständlich klingende Antwort.
Seit über zehn Jahren war er bereits in Sachen Ablasshandel tätig, als ihn der Ruf des Bistums Meißen ereilte, beim Jubelablass als Subkommissar aktiv zu werden. [12]
Der Meißener Bischof Johann von Saalhausen störte sich auch nicht an der Tatsache, dass Tetzel ein paar Jahre zuvor in Innsbruck wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt worden und nur vom damals zufällig ebenfalls dort weilenden Kurfürsten Friedrich von Sachsen bei Kaiser Maximilian I. losgebeten werden konnte.
Im Frühjahr begann Tetzel mit seiner Arbeit. Arbeit, die gut bezahlt wurde. Er selbst bekam achtzig Gulden im Monat, seine drei Diener deren zehn, dazu Kost und Wagen frei. Seine Reisegruppe baute sich auf den Marktplätzen vor und in den Kirchen auf, setzte sich gekonnt in Szene, rechnete jedoch vor allem mit dem Eindruck des päpstlichen Wappens, welchem doch alle Christen noch tiefen Respekt entgegenbringen sollten. Vor den Kirchen stand jeweils ein großes rotes Kreuz mit der Dornenkrone und den Nagellöchern des Heilands.
Die marktschreierische Vorstellung begann. Gift und Galle spuckend, geiferte Tetzel über den Teufel, ließ seine üblichen Sprüche ab vom Höllenfeuer und den unermesslichen Qualen, die den Sündern dort drohten. Damit auch die einfachen Leute seine Drohungen verstanden, setzte er auf simple bildliche Vergleiche.
Tetzel begann:
»Stellt euch einen überheizten und weißglühenden Ofen vor, und ihr liegt darin, nackt und wimmernd, ohne Aussicht, von einer solchen Qual erlöst zu werden. Stellt euch vor, wie ihr euch herumwälzt in dem rotglühenden Ofen, wie ihr heult, weint und schreit vor Schmerzen, denn ihr lebt ja in diesem schrecklichen, fürchterlichen Ofen. Welche Angst, welcher Schrecken euch begleitet, für immer und ewig, weil ihr merkt, dass diese unerträgliche Strafe niemals endet.«
Betretene Gesichter. Furchtsame Mienen.
Tetzel legte nach:
»Die verdammten Sünder werden von glutäugigen Dämonen gepfählt oder angefressen. Man hängt sie an den Zungen auf. Die Teufelsdiener zwicken sie mit glühenden Zangen, sie werden gerädert, entbeint, geblendet, gesotten und gebraten oder aufgehängt. Selbst der Heilige Erasmus, dem mit einer Winde die Gedärme aus dem Leib gezogen wurden, kann euch nicht mehr helfen, wenn die teuflischen Monster das Gleiche bei euch tun werden.«
Die Menschen überlegten fieberhaft ihre persönlichen Sündenregister; ein jeder fand sich schuldig zumindest lässlicher Sünden, die jedoch auch schon ausreichten, um nicht auf direktem Weg in den Himmel zu kommen.
Alle wurden sie blass beim Zuhören.
Dann, im Moment der größten Furcht bei seinem Publikum, setzte Tetzel seinen sorgsam eingeübten Ausdruck der Erleichterung auf.
»Aber nicht nur Angst und Schrecken, auch Hoffnung gibt es in diesem grauenhaften Ofen, in der Hölle und im Fegefeuer.«
Nun hielt er lächelnd einen Ablassbrief in die Höhe.
»Hoffnung, dass ihr selbst oder, wenn ihr schon gestorben seid wie eure Ahnen, jemand anderer, mit diesen Ablassbriefen eure Qualen verkürzen und erleichtern könnt.«
Den Zuhörern in der ersten Reihe wedelte er mit dem Brief vor der Nase herum.
»Sobald der Gülden im Becken klingt im huy die Seel im Himmel springt.«
»Wenn ihr mir euer Geld gebt, dann werden eure toten Verwandten auch nicht mehr in der Hölle schmoren, sondern in den Himmel kommen.« [13]
Die Menschen kamen, lauschten und fürchteten sich zu Tode.
Und kauften, kauften, kauften.
Hohe Würdenträger zahlten fünfundzwanzig Gulden, reiche Bürger und Kaufleute sechs Gulden, ärmere Bürger nur drei, Handwerker einen Gulden.
Sogar von schweren Sünden wie Ehebruch und Meineid konnte man sich loskaufen.
Tetzel log, dass sich die Balken bogen, behauptete bisweilen sogar, der Ablass diene dazu, die Türkenkriege zu finanzieren, wenn er spürte, dass die Stimmung vor Ort nicht allzu papstfreundlich war. Gegen die Türken konnte man immer punkten.
Irgendwann reichte es Johann von Saalhausen aber. Der Bischof von Meißen trat in Opposition zu Tetzel und berief ihn ab.
»Tetzel, Ihr nutzt das Volk frevlerisch aus!«, schmetterte er ihm von der Kanzel entgegen.
Den störte diese Kritik überhaupt
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