Der Papstkäufer
allein Benefizienansprüche in zehn Bistümern eintragen. Und er wurde immer gieriger. In den folgenden fünf Jahren raffte er sich sage und schreibe sechzig (!) Pfründenstellen zusammen. Kirchen, Klöster, Bistümer; überall, wo etwas zu holen war. Die Orte und die dort lebenden Gläubigen interessierten ihn überhaupt nicht, die meisten seiner Pfründen sah er nur auf dem Papier. Hauptsache, sie schickten ihm das ihm zustehende Geld nach Rom.
Dabei verfolgte Zink drei Strategien.
Eine war, die Pfründe zu besetzen und bald darauf an den Meistbietenden ›unterzuvermieten‹, gegen Zahlung einer jährlichen Rente.
Die andere wandte Zink bei den Pfründen an, die er erst gar nicht besetzen wollte. Er ließ sie sich überschreiben, und, sobald wie möglich, verkaufte er sie mit maximalem Profit weiter.
Als dritte Möglichkeit behielt er die Pfründe und kassierte direkt dort ab, auch wenn er sich selbst niemals oder selten blicken ließ. Allein in seiner Heimatstadt Augsburg besaß er sechs Pfründen, ebenso in Mainz, in Regensburg drei, in Freising zwei, in Passau drei, Salzburg vier, Eichstätt zwei, Würzburg zwei, Speyer zwei, und je eine in Konstanz und Worms.
Dieser Pfründenschacher war zwar seit Längerem gängige Praxis gewesen, aber in Deutschland lange Jahre in eher bescheidenem Rahmen vor sich gegangen; zumindest verglichen mit dem, was in Spanien oder Frankreich üblich war. Nun begann eine Phase, die auch von seriösen Historikern eine ›monströs-ruinöse, grenzenlose Ausplünderung Deutschlands‹ genannt wird. Mit Johannes Zink an der Spitze der Pfründenjäger.
Im Frühjahr und im Sommer des Jahres 1516 fand in Rom, auf dem Hügel Viminal, ein dichterischer Wettbewerb statt, an dem eine Reihe deutscher Humanisten teilnahmen. In der Villa des Johannes Goriz, über den Trümmern des Trajansforums, wurde aber nicht nur Dichtung deklamiert, sondern auch diskutiert und politisiert. Entsetzt war der gekrönte Poet Ulrich von Hutten, nachdem er einige Wochen in Rom verbracht und Gelegenheit bekommen hatte, ein wenig hinter die Kulissen des Vatikans und des Pfründenhandels zu schauen. Dort, in der Villa Goriz, schrieb er seine ›Räuber‹, worin es heißt:
›Ich habe den alten Zink mit großem Eifer am Werke gesehen.
Die Fugger verdienen, die Fürsten der Kurtisanen zu heißen; …
Sie haben dort ihren Marktisch aufgeschlagen und kaufen vom Papste
was sie später höher verkaufen;
Nicht allein Benefizien, auch dauernde Gnaden;
Man findet bei ihnen Bullen, und Dispense gehen durch ihre Bank;
Und es ist auf keine Weise leichter das Priestertum zu erreichen,
als wenn du die Fugger zu Freunden hast.
Sie sind die einzigen, durch die man in Rom alles erreichen kann …‹
Harte Worte, fürwahr, aber das war erst der Beginn von Ulrich von Huttens Spott. Mit jeder dichterischen Note wurde dieser bitterer. Von Hutten fühlte sich sicher, stand er doch unter dem persönlichen Schutz Kaiser Maximilians. Denn der benötigte die Stimme von Huttens als Puffer zwischen der Bevölkerung und dem Papst. Jakob Fugger und Johannes Zink ließ solcher Spott generell unberührt, wenn sie überhaupt etwas davon mitbekamen.
Noch mehr Klatsch auf der Straße als die verächtlichen Dichterverse verursachte in diesen Tagen jedoch der Tod des Elefanten Hanno, Papst Leos Lieblingstier. Der war nämlich recht spektakulär dahingeschieden, infolge einer Verstopfung und ihrer Behandlung mit einem durch Gold angereicherten Abführmittel. Wasser auf die Mühlen derer, die Papst Leo X. Verschwendungssucht vorwarfen.
Ende Oktober, kurz nach von Huttens Abreise aus Rom, wurde Johannes Zink von Leo X. das Kanonikat verliehen.
Wieder einmal stand er vor seinem mannshohen Spiegel und begutachtete sein Gegenüber, um sich für die ehrende Audienz in Schale zu werfen. Wie ähnelten sich die Szenen im Vorfeld, wie unterschiedlich waren sie jedoch gleichzeitig!
Denn die letzten zwei Jahre der hemmungslosen Bereicherung und der Pfründenjagd hatten aus Johannes Zink endgültig einen alten Mann gemacht.
Wieder drehte er sich, trotz des immer stärker werdenden Podagras in den Beinen, einmal um seine eigene Achse. Ein unscheinbarer Mann von Mitte Fünfzig schaute ihm entgegen. Er schien in den letzten zwei Jahren leicht geschrumpft zu sein.
Ein immer noch leicht maliziöses Lächeln stand unter der spitzen Nase und den apfelroten, runden Wangen. Das blaue Feuer seiner Augen schien jedoch erloschen zu
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