Der Partner
eine Stunde zuvor eingeschärft. »Du kannst gar nicht vorsichtig genug sein.«
Er lief dreimal um den Block, und als er sich sicher war, dass ihn niemand verfolgte, trat er in eine geöffnete Bar, wo er ein Mineralwasser bestellte und eine Zeitlang den Gehsteig beobachtete. Dann überquerte er die Straße zum Royal Sonesta. Er mischte sich unter die im Foyer wartenden Touristen.
Nach einem neuerlichen Check der Umgebung fuhr er mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock. Leah öffnete kurz die Tür, ließ ihn eintreten und schloss sie hinter ihm sofort wieder ab.
Wie nicht anders zu erwarten, sah sie erschöpft und mitgenommen aus.
»Das mit Ihrem Vater tut mir leid«, sagte Sandy. »Haben Sie inzwischen irgend etwas von ihm gehört?«
»Nein. Ich war unterwegs.« Auf dem Fernseher stand ein Tablett mit einer Kanne Kaffee. Sandy goss sich eine Tasse ein und nahm ein Stück Zucker. »Patrick hat mir davon erzählt. Wer sind diese Leute?«
»Da drüben liegt die Akte«, sagte sie, mit einem Kopfnicken auf einen kleinen Tisch hinweisend.
»Bitte, setzen Sie sich.« Sie zeigte aufs Fußende des Bettes. Sandy ließ sich mit seinem Kaffee nieder und wartete ab. Die Zeit für ein Gespräch war gekommen.
»Wir haben uns vor zwei Jahren kennengelernt, 1994, nach seiner Gesichtsoperation in Rio. Patrick erzählte mir, er wäre ein kanadischer Geschäftsmann, der eine Anwältin mit Erfahrung in Fragen des Handelsrechts brauchte. Aber was er wirklich brauchte, war ein Freund. Ich war zwei Tage lang sein Freund, dann verliebten wir uns ineinander. Er erzählte mir alles über seine Vergangenheit, alles. Er hatte zwar bei seinem Verschwinden hervorragende Arbeit geleistet, hatte massenhaft Geld, aber Patrick konnte seine Vergangenheit ganz einfach nicht hinter sich lassen. Er wollte unbedingt wissen, wer hinter ihm her war und wie nahe sie an ihm dran waren. Im August 1994 kam ich in die USA und setzte mich mit einer privaten Detektei in Atlanta in Verbindung. Sie hatte einen seltsamen Namen.
Sie nannte sich die Pluto Group, ein Haufen ehemaliger FBI-Agenten, die Patrick vor seinem Verschwinden ausfindig gemacht hatte. Ich nannte ihnen einen falschen Namen, behauptete, ich käme aus Spanien und brauchte Informationen über die Suche nach Patrick Lanigan. Ich zahlte ihnen fünfzigtausend Dollar. Daraufhin schickten sie Leute nach Biloxi, wo sie zuerst Kontakt mit Patricks früherer Kanzlei aufnahmen. Sie gaben vor, ein paar vage Informationen über seinen Aufenthaltsort zu haben, und die Anwälte verwiesen sie sehr diskret an einen Mann in Washington namens Jack Stephano. Stephano ist ein hochbezahlter Schnüffler, der sich auf Industriespionage und das Aufspüren vermisster Personen spezialisiert hat. Sie kamen in Washington mit ihm zusammen. Er war sehr verschwiegen und erzählte ihnen nur wenig, aber es war offensichtlich, dass er mit der Suche nach Patrick betraut worden war. Sie trafen sich mehrere Male mit ihm, und schließlich kam die Rede auf eine Belohnung. Sie boten an, ihre Information zu verkaufen, und Stephano erklärte sich bereit, fünfzigtausend Dollar zu zahlen, wenn sie zu Patrick führte. Im Laufe dieser Gespräche erfuhren sie, dass Stephano gute Gründe für die Annahme hatte, dass Patrick sich in Brasilien befand. Das hat Patrick und mir natürlich einen gewaltigen Schrecken eingejagt.«
»Das war Patricks erster Hinweis darauf, dass sie wussten, dass er in Brasilien war?«
»Der allererste. Er lebte seit zwei Jahren dort. Als er mir die Wahrheit über seine Vergangenheit erzählte, hatte er nicht die leiseste Ahnung, dass seine Verfolger bereits auf dem gleichen Kontinent wie er waren. Erfahren zu müssen, dass sie bereits in Brasilien waren, war für ihn niederschmetternd.«
»Warum flüchtete er nicht einfach erneut?«
»Dafür gab es eine Menge guter Gründe. Er dachte ausgiebig darüber nach. Praktisch redeten wir über nichts anderes mehr. Ich war bereit, mit ihm das Land zu verlassen. Aber zu guter Letzt war er dann doch davon überzeugt, dass es klüger für ihn war, tiefer ins Landesinnere zu verschwinden. Er kannte es gut - die Sprache, die Menschen, die unzähligen Orte, an denen man sich verstecken konnte.
Außerdem wollte er nicht, dass ich meine Heimat verlasse. Heute glaube ich, wir hätten nach China oder sonstwohin flüchten sollen.«
»Vielleicht konnten Sie nicht flüchten.«
»Vielleicht. Ich blieb mit der Pluto Group in Verbindung. Sie hatten den Auftrag, Stephanos
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