Der Partner
okay?« fragte Hayani, und trat zu ihm.
Dieser antwortete nicht. Hayani warf einen Blick auf den Tisch in der Ecke, an dem Patrick seine juristischen Arbeiten zu erledigen pflegte. Er war aufgeräumt, ohne aufgeschlagene Bücher oder herumliegende Akten.
Endlich sagte Patrick: »Mir geht’s gut, Doc.«
»Haben Sie geschlafen?«
»Nein. Überhaupt nicht.«
»Jetzt kann Ihnen nichts mehr passieren, Patrick. Die Sonne ist aufgegangen.«
Er sagte nichts und bewegte sich auch nicht. Hayani verließ ihn so, wie er ihn angetroffen hatte, die Armlehnen des Stuhls umklammernd und die Schatten betrachtend.
Patrick hörte die freundlichen Stimmen auf dem Korridor; der Doc sagte ein paar Worte zu den gelangweilten Deputies und vorbeieilenden Schwestern. Bald würde das Frühstück kommen, aber an Essen lag ihm nicht viel. Nach viereinhalb Jahren sich selbst auferlegter Genügsamkeit hatte er sein Verlangen nach Essen überwunden. Ein paar Bissen von diesem oder jenem, mit Apfelscheiben und Möhren garniert, wenn ihn der Hunger überkam, reichte ihm aus. Anfangs hatten die Schwestern ihrem Bedürfnis nachgegeben, ihn aufzupäppeln, aber Dr. Hayani hatte sehr schnell Einspruch erhoben und eine Diät verordnet, die wenig Fett, keinen Zucker und viel Gemüse und Brot vorsah.
Er erhob sich von seinem Stuhl und ging zur Tür. Er öffnete sie und sagte den Deputies, Pete und Eddie, zwei seiner ständigen Bewacher, leise guten Morgen.
»Haben Sie gut geschlafen?« fragte Eddie, wie er es jeden Morgen tat.
»Ich habe sicher geschlafen, Eddie, danke«, sagte Patrick, es war ein Teil ihres morgendlichen Rituals. Ein Stück den Korridor hinunter, auf einer Bank neben dem Fahrstuhl, sah er Brent Myers, den überflüssigen FBI-Agenten, der ihn von Puerto Rico hierher begleitet hatte. Patrick nickte ihm zu, aber Brent war zu sehr in seine Morgenzeitung vertieft.
Patrick zog sich in sein Zimmer zurück und machte vorsichtig ein paar Kniebeugen. Seine Muskeln waren geheilt, aber die Brandwunden taten noch immer weh. Liegestütze und Situps waren auch weiterhin ein Ding der Unmöglichkeit.
Eine Schwester klopfte an und stieß dann die Tür auf. »Guten Morgen, Patrick«, zwitscherte sie fröhlich. »Zeit fürs Frühstück.« Sie stellte das Tablett auf einen Tisch. »Wie war Ihre Nacht?«
»Wunderbar. Und Ihre?«
»Auch wunderbar. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein danke.«
»Sie brauchen nur zu klingeln«, sagte sie im Hinausgehen. Die Dinge gingen ihren gewohnten Gang.
So langweilig sie aber auch sein mochten, Patrick stand doch ständig vor Augen, wie schlimm es wirklich hätte stehen können. Das Frühstück im Gefängnis von Harrison County würde ganz sicher auf einem Blechtablett serviert werden, das jemand durch einen schmalen Schlitz zu ihm in die Zell stieß, und müsste dann in Gegenwart von Zellengenossen verzehrt werden, die Tag für Tag wechselten.
Er nahm seinen Becher Kaffee und ging zu seinem provisorischen Arbeitsplatz in der Ecke unter dem Fernseher Er schaltete die Lampe ein und starrte auf die Akten.
Er war jetzt seit einer Woche in Biloxi. Sein anderes Leben hatte vor dreizehn Tagen abrupt auf einer kleinen Landstraße, die jetzt unendlich weit weg war, ein Ende gefunden. Er wollte wieder Danilo sein, Senhor Silva, mit dem ruhigen Leben in seinem einfachen Haus, wo die Putzfrau mit ihrem melodischen, stark von ihren indianischen Wurzeln geprägten Akzent portugiesisch mit ihm sprach.
Er sehnte sich nach den langen Spaziergängen auf den warmen Straßen von Ponto Porä und den ausgedehnten Dauerläufen in die Umgebung. Er wollte sich wieder mit den alten Männern unterhalten, die unter schattenspendenden Bäumen saßen, grünen Tee tranken und sich danach drängten, mit jedem zu plaudern, der Zeit für sie hatte. Er vermisste das Treiben auf dem Markt in der Innenstadt.
Er vermisste Brasilien, Danilos Heimat, mit seiner Weite, seiner Schönheit und seinen schroffen Gegensätzen, seinen von Menschen wimmelnden Städten und seinen rückständigen Dörfern, seinen liebenswürdigen Bewohnern. Er sehnte sich nach seiner geliebten Eva, der Sanftheit ihrer Berührung, der Schönheit ihres Lächelns, dem Begehren ihres Körpers, der Wärme ihrer Seele. Er würde ohne sie nicht leben können.
Weshalb konnte ein Mensch nicht mehr als nur ein Leben haben? Wo stand geschrieben, dass man nicht von vorn anfangen konnte? Immer wieder. Sooft man es eben, wollte; Patrick war gestorben, und Danilo war
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