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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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beim Tanzen, seine Drehungen und Ausfallschritte, die weißen Schuhe im schwarzen Marmorfußboden gespiegelt; schließlich das Geburtstagskind: Anwar, Suleiman Isas dritter Bruder. Und Suleiman Isa - ja, der Mistkerl höchstpersönlich, wie er sich im Takt zu Govindas Tanz wiegte, doch das mit völlig ausdrucksloser, lebloser Miene. Der Mann von Mina Television nahm seine Videoaufnahme mit in den Laden, denn er hatte den Auftrag bekommen, drei Kopien anzufertigen. Er gab Shanker das Band und sagte, er solle die Kopien machen. Shanker machte vier. Eine davon behielt er selbst und brachte sie nach Bombay mit, als er Anfang Februar auf Besuch kam. Er gab Bunty das Videoband, und Bunty gab ihm Geld. Und jetzt lag es hier, das Video, auf dem Fernseher in meinem Büro.
    Suleiman Isa hatte ein breites flaches Gesicht, ein spärliches Menjou-Bärtchen. Auf dem Video trug er ein weißes Hemd mit rundem Ausschnitt und dazu einen dunkelgrauen Anzug mit kunstvoll bestickten Aufschlägen. Ich konnte nicht erkennen, was er trank, doch er aß Kebabs von einem Teller und legte die Spießchen alle in einer ordentlichen Reihe an den Rand des Tisches. Sauber und methodisch. Ich sah mir das Band bis spät in die Nacht an, spulte die Abschnitte mit Suleiman Isa wieder und wieder zurück. Chhota Badriya schaute mit, und wir entdeckten vier der Brüder auf der Party, erkannten ihre Gesichter von den Fotos aus den Polizeiakten. Irgendwann gähnte Chhota Badriya im Minutentakt, und ich schickte ihn nach Hause ins Bett. Ich schaute mir noch einmal Suleiman Isa an, wie er sich die Finger in einer kleinen Messingschale wusch und sie dann auf einer Serviette trockentupfte. Es war mittlerweile sehr spät, und auf der gefilmten Party ebenso. Govinda war längst gegangen, sogar Suleiman Isa hatte sich auf den Weg gemacht. Doch immer noch schweifte die Kamera durch den Raum, erfaßte einige Männer, die sich auf dem Sofa ausgestreckt, die Schuhe abgestreift und die Krawatten gelockert hatten. Einer von ihnen bemerkte die Kamera und raffte sich hoch, wozu er drei Anläufe brauchte, dann hob er die Arme, versuchte eine Govinda-Umdrehung, fiel hin und knallte mit den Füßen gegen einen Tisch. Ein Glas zerbrach auf dem Boden. Allseitiges Gelächter. Diesen Abschnitt hatte ich noch gar nicht gesehen, wir hatten immer wieder zu Suleiman Isa und seinen Brüdern zurückgespult. Doch jetzt schaute ich weiter. Zwei seiner Freunde hoben den Betrunkenen hoch, und nun tanzten sie alle drei, sprangen von links nach rechts und wieder nach links, die Arme einander auf die Schultern gelegt. Die Kamera schwenkte mit ihnen nach links, schoß etwas übers Ziel hinaus, und ein Mann, der auf einem Stuhl gesessen hatte, wich ihr aus, er glitt vom Stuhl und aus dem Bildfeld, wandte das Gesicht rasch vom Objektiv, von mir weg. Die Kamera zuckte wieder nach rechts und fand die drei tanzenden Männer.
    Doch ich wollte zurück. Ich fischte nach der Fernbedienung, drückte Tasten. Irgendwas an der breiten Schulter dieses Mannes, an der Mühelosigkeit seiner fließenden Bewegungen, selbst als er sich abrupt außer Sicht begab, an seinem Selbstbewußtsein irritierte mich. Er hatte keine Angst, war ganz locker, ging einfach auf Nummer Sicher, wollte nicht von der Kamera erfaßt werden. Da war er wieder, für einen winzigen verschwommenen Moment, er war gut, aber nicht sehr gut, nicht gut genug, hinter ihm befand sich eine Scheibe aus dunklem Glas, ein hohes Fenster und dahinter die Nacht. In der unteren Ecke der Scheibe konnte ich die Lichter der Straße sehen, doch außerdem erkannte ich in ihrem fließenden Glanz ein Gesicht, eine scharf geschnittene Nase, ein langes Kinn, einen kräftigen Hals, das schnelle Hinundherbaumeln einer Goldkette, an der ein schimmerndes Medaillon hing: Es war Bada Badriya. Der ältere Bruder unseres Chhota Badriya, Paritosh Shahs getreuer Leibwächter. Er war es. Er war es. Es ging so schnell, dauerte nur den Bruchteil eines Augenblicks, doch ich war mir sicher. Und dann wurde ich wieder unsicher. Als ich die Abspielgeschwindigkeit verlangsamte, den Film ruckend Einstellung für Einstellung ablaufen ließ, löste sich das Gesicht in helle Blöcke und dunkle Streifen auf und verlor unter meinem angestrengten Blick jede Form. Ich ging ganz nah an den Bildschirm heran. War das ein trüber Schleier sich verlagernden Lichts, oder war er es? Auf den Standbildern sah ich nur diese unförmige Wolke, dieses Nichts. Aber wenn ich den Film normal ablaufen

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