Der Pate von Bombay
Tankstelle auf ihn, und er kam tatsächlich auf dem Weg zu seinem Auto an ihnen vorbei, von einem Leibwächter begleitet. Er war Geschäftsmann geworden, der Leibwächter hatte nun selbst einen Leibwächter. Bada Badriya bückte sich und wollte sich gerade hinters Lenkrad schieben, als meine Jungs seinen Gorilla niederschlugen, mit einem meterlangen Rohrstück legten sie ihn um. Dann richteten sie ihre Pistolen alle auf Bada Badriya, auf seine Beine, und hätte er gezogen, wäre er an Ort und Stelle gestorben, seine Oberschenkel von einem Dutzend Schüsse zerfetzt. Die Jungs bebten alle vor Nervosität. Doch er erstarrte. Als sie ihn mir brachten, waren sie sehr von sich eingenommen, tönten verächtlich herum vor lauter Erleichterung, nicht beschossen worden zu sein. Bunty, der sie angeführt hatte, schmiß eine Pistole auf den Tisch und sagte mit seinem Punjab-Akzent zu mir: »Er hatte eine Glock, Bhai, aber er hat nicht mal danach gegriffen. Und dieser Chodu 121 hat sich mal einen Leibwächter genannt. Er ist ganz ruhig mitgekommen.«
Und ruhig war Bada Badriya immer noch, dort auf seinem Stuhl in dem Lagerraum, in den die Jungs ihn gebracht hatten. Er stand auf, als ich hereinkam, und ich mußte zu ihm hochschauen.
»Warum hast du das getan?« fragte ich.
»Was getan?« Er hob die Arme.
Bis zu diesem Moment hatte ich keinen genauen Plan gehabt. Ich hatte Bada Badriya einfach in die Augen blicken wollen, und als ich jetzt sah, wie er mit dieser verlogenen Unschuld seine Angst übertünchen wollte, als ich seine jämmerliche Schauspielerei erlebte, stieg eine gewaltige Wut in mir auf. Sie breitete sich in meinem Bauch aus, bis meine Rippen schmerzten, und ich schrie, nein, brüllte: »Ich habe dich gesehen. Ich habe dich gesehen, Maderchod. Ich habe dich tanzen sehen.«
»Tanzen? Wo denn?«
Ich ertrug ihn nicht mehr, seine breite Brust, seine Bulligkeit, sein jungenhaftes Bubengesicht. »Knall ihn ab, Bunty. Knall ihn ab.«
Und Bunty knallte ihn ab.
Chhota Badriya erwartete mich in Alibag. Ich hatte ihn am Abend zuvor dort hingeschickt, damit er vier Lakhs in bar von einem unserer Drahtzieher abholte. Laß dir das Geld geben, hatte ich zu ihm gesagt, und guck dir diesen Typen dabei mal etwas genauer an, irgendwie traue ich ihm nicht, er hat so was Aalglattes. Danach sollte er in Alibag bleiben, wo ich ein Haus hatte, einen Bungalow am Strand, dort würde ich zu ihm stoßen. Ich wollte Chhota Badriya aus dem Weg haben, er sollte nicht erreichbar sein, keiner sollte ihn irgend anrufen und ihm erzählen können, daß sein Bruder geschnappt worden war. Übernachte in meinem Bungalow, hatte ich gesagt, mach's dir schön, entspann dich ein bißchen. Ich komme später nach. Und er hatte gesagt, ja, Bhai, kommen Sie nach, Ihnen täte ein bißchen Entspannung auch gut.
Also fuhr ich mit Bunty und drei Jungs zum Bungalow. Drei Stunden waren wir unterwegs, durch den staubigen, verkehrsreichen Nachmittag. Sobald wir Kailashpada hinter uns gelassen hatten, kniff ich die Augen zu. Als ich sie wieder aufmachte, waren wir auf offenerem, teils neu bebautem Gelände. Durch den Dunst betrachtete ich einen sanft geschwungenen Hügel zu meiner Rechten. Auf der Schnellstraße fuhren wir gen Osten, und dann wieder Richtung Süden. Ich schlief. Endlich glitzerte vor uns das Meer, eine endlos weite Fläche, auf der die Sonne metallisch grell funkelte.
Chhota Badriya rief uns vom Balkon des Bungalows eine Begrüßung zu. Ich stieg aus, reckte mich, grinste ihn an. Er trug eine rote Badehose, die vor der schiefen weißen Wand des Bungalows leuchtete, und sein Bauch wölbte sich weich über das rote Gummiband. Wann war er so dick geworden? Wir hatten einander so oft und aus nächster Nähe gesehen, daß ich ihn anscheinend nicht mehr wahrgenommen hatte. Doch plötzlich sah ich seine kurzen Haare, seinen Bauch, seine Ehe, seine Kinder, seine Liebe zum Film, seine Leidenschaft für gute Kleidung, seine treue Ergebenheit.
Oben kippte er das Bargeld aufs Bett. »Keine Probleme, Bhai«, sagte er. »Es ist alles da. Ich glaube nicht, daß wir mit dem Kerl ein Problem haben.«
»Gut«, sagte ich. »Ich muß mal pinkeln gehen.«
»Alles klar«, sagte er. Und während ich zum Bad ging: »Möchten Sie einen Tee?«
»Ja«, antwortete ich und machte die Tür hinter mir zu. Der Spiegel über dem Waschbecken war kaputt, die eine Hälfte fehlte, nur das rohe Holz war übrig. Ich versuchte zu pinkeln, schüttelte mich, aber auch nach drei
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