Der Pate von Bombay
Mullah ist. Sie haben ihm ein Visum gegeben.«
»Maderchod.«
»Er wird eine Woche dort sein. Er wird öffentlich sprechen und versuchen, sich mit englischen Politikern zu treffen.«
»Darauf wird sich keiner einlassen, Saab.«
»Mag sein, mag auch nicht sein. Jedenfalls tritt er an die Öffentlichkeit. Er glaubt, daß er mit säckeweise englischen Pfund, Scharen neuer Chelas 115 und einem internationalen Profil zurückkehren wird. Also werden wir dafür sorgen, daß er in die internationalen Nachrichten gelangt. Postieren Sie ein paar Teams in London.«
»Wie sieht der Zeitplan aus?«
»Wir glauben, daß er in vier Wochen in London eintreffen wird.«
»Vier Wochen - kein Problem.« Wir hatten eine Basis in Cannes und verfolgten in Europa routinemäßig gewisse Geschäftsinteressen. Seit kurzem waren auch Slowenien und das Baltikum in unser Blickfeld gerückt. Wir lernten dazu und expandierten.
»Wir werden jegliche neuen Informationen unmittelbar an Sie weiterleiten.«
»Wir stehen bereit. Aber warum gerade jetzt, Saab?«
»Es ist als Botschaft gedacht. Diese Leute denken, sie könnten das Fernsehen als Plattform nutzen.«
»Und von wem soll die Botschaft kommen?«
»Vorläufig soll sie anonym sein. Aber warten wir mal ab, wie die Operation läuft. Vielleicht können auch Sie der Absender sein.«
»Selbstverständlich, Saab.«
»Auf Wiederhören, Ganesh.«
»Salaam, Saab.«
Er war immer sehr knapp und sachlich, der gute Mr. Kumar. Es wurde nur das Nötigste gesagt, kein Wort zuviel. Wir waren nicht befreundet, obwohl wir nun schon seit Monaten miteinander im Gespräch waren. Dieser Auftrag jedoch war ein Vertrauensbeweis, gegen ihn erschien alles, was ich bisher getan hatte, unbedeutend. Ich war froh darüber - nicht nur, weil ich nun, mit delikateren Aufgaben betraut, größere Gegenleistungen erwarten konnte, sondern auch, weil ich mich mit diesem Krieg wirklich identifizierte. Und jetzt kämpfte ich auf einer höheren Ebene. Chhota Madhavs Männer hatten vor ein paar Jahren einem nepalesischen Politiker, der als einer der Hauptunterstützer der Pakistanis in Nepal galt, einen Schlag versetzt, aber das war in Kathmandu gewesen. Ich hingegen sollte im Herzen von Europa agieren, im Vilayat, im schicken London. Und ich würde es erfolgreich durchziehen, trotz der Bataillone von Leibwächtern und Scotland Yard. Ich kümmerte mich unverzüglich um die Logistik.
Dazu bestellte ich Arjun Reddy ein, meinen Computer-vaala, der meine Befehle per verschlüsselter E-Mail verschickte. Wie jede Woche versicherte er mir auch heute, daß wir die fortschrittlichsten Verschlüsselungstechniken verwendeten und wöchentlich die Chiffre wechselten, und selbst wenn die CIA und die gesamte amerikanische Regierung eine Milliarde Dollar ausgäben und all ihre Computerfachleute auf eine unserer Mails ansetzten, werde es zweihundert Jahre dauern, unseren Code zu knacken. Trotzdem machten mich E-Mails immer nervös. Sooft mir Reddy auch versichern mochte, daß unser Schutz praktisch undurchdringlich war, ich wurde das Bild nicht los, wie meine Mails allein und verwundbar durch die Bäuche der Computer dieser Welt schwammen. Nichtsdestoweniger schrieb ich nun meinen Leuten in Cannes: »London mein fielding lagao. Do team bhedzjo. Sachin aur Saurav dono. Ready rehna, Instructions baad mein.« 377 Die Operation sollte zwar erst in vier Wochen stattfinden, doch ich hatte aus Erfahrung gelernt, daß es sinnvoll war, meine Jungs möglichst früh am Einsatzort zu positionieren. Manchmal beschleunigten sich die Ereignisse unversehens, außerdem war es gut, wenn die Jungs ihren Jagdgrund schon frühzeitig erkunden konnten, sich an die Sprache, die Busverbindungen, die Nachbarn gewöhnten -und die Nachbarn sich ihrerseits an sie.
Als die E-Mails versendet waren, fuhr Reddy mit meiner Computereinweisung fort. Ich konnte inzwischen mit Windows umgehen und wußte im Prinzip auch, wie man ein Dokument öffnet oder ein neues anlegt. Doch manchmal fand ich das gesuchte Dokument nicht oder blieb in irgendeinem Fenster auf dem Bildschirm hängen und kam beim besten Willen nicht mehr weiter. Es war nicht nur die englische Sprache, die mich aus dem Konzept brachte, sondern überhaupt diese ganze Welt hinter meinem Bildschirm, ich begriff einfach nicht, wo der Boden und wo der Himmel war. Reddy zeichnete mir Diagramme auf, aber ich bekam diese Geographie nicht in den Griff. Das machte mich wahnsinnig, besonders wenn er mit seinen
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