Der Pate von Bombay
anderen machten sich wieder über ihr Essen her. Ramu aber hielt den Blick auf Sartaj gerichtet; sein Hähnchen interessierte ihn nicht mehr. »Folgendes«, sagte Sartaj. »Vor vier, fünf Wochen hast du vor dem Apsara einen kleinen Auftrag ausgeführt. Du hast bei einer Frau in einem Auto ein Päckchen abgeholt und es dann jemandem abgeliefert. Erinnerst du dich?«
Ramu schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nicht.«
»Bist du sicher?«
»Klar bin ich sicher. Selbst wenn es so war - ich mach jeden Tag zehn solche Jobs. Wie soll ich mich da an was erinnern, was so lange her ist?«
Tej und Jatin hielten den Kopf über ihren Teller gesenkt, aber Sartaj war sich sicher, daß sich Tejs Schultern einen Moment lang angespannt hatten, eine kaum wahrnehmbare Unterbrechung im gleichmäßigen Rhythmus des Kauens.
»Denk mal scharf nach«, sagte Sartaj. »Du hattest ein rotes T-Shirt an. Es war abends.« Ramu behielt seine undurchdringliche Miene eisern bei, aber Tej, der an dem Abend auch dabeigewesen sein mußte, wurde nervös und hatte Mühe weiterzuessen.
»Nein«, sagte Ramu.
»Warum bringen wir sie nicht hinters Haus?« fragte Kamble. »Und geben ihnen eins mit dem Lathi hintendrauf? Dann werden sie sich schon erinnern.«
Sartaj holte ein Foto aus der Tasche und legte es zwischen Ramu und Tej auf den Tisch. »Das ist die Frau, die dir das Päckchen gegeben hat. Klingelt's jetzt vielleicht?«
»Ich hab Ihnen doch gesagt«, erwiderte Ramu übertrieben geduldig, »ich hab so was nicht gemacht.« Er schien sich in seiner Rolle einzurichten. Er hob die Hände und ließ sie wieder fallen.
Doch Tej hatte aufgehört zu essen und starrte auf das Hochglanzfoto von Mrs. Kamala Pandey, eine Studioaufnahme.
»Du selber erinnerst dich vielleicht nicht«, sagte Sartaj zu Ramu. »Aber Tej scheint die Frau zu kennen.«
Jetzt legte sich Tej ins Zeug, das Kinn mit Reis und Fett verschmiert. »Nein, nein«, sagte er, »ich kenn sie auch nicht.«
Sartaj schob einen Fünfzig-Rupien-Schein neben seinen Teller. »Doch. Ich hab deinen Blick gesehen. Sie sieht aus wie ein Filmstar, stimmt's?«
»Halt die Klappe«, sagte Ramu zu Tej, der sehnsüchtig das Geld fixierte, während er eine große Portion Reis mit den Fingern aufnahm.
»Ramu«, sagte Sartaj. »Warum willst du dich mit mir anlegen? Sind die Leute, denen du das Päckchen gegeben hast, Freunde von dir? Meinst du, du mußt sie decken? Oder hast du Angst vor ihnen? Meinst du, du kriegst Probleme, wenn du's mir sagst?«
»Ich hab vor niemandem Angst.«
Ramu sprach leise, den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen. Sartaj erkannte die Wut: Das war Amitabh Bachchan in Deewar oder Shah Rukh in einem seiner Filme. »Ich wollte dich nicht beleidigen, Yaar«, sagte Sartaj. »Aber du hast Informationen, die ich brauche. Nenn mir deinen Preis.«
Ramu lehnte sich zurück und rieb sich mit dem Handrücken die Nase. Er dachte angestrengt nach. Wahrscheinlich hatte er schon einen Preis im Sinn, aber seinen beiden Trabanten spielte er den Geschäftsmann vor. Schließlich verkündete er: »Fünfhundert Rupien.«
»Zuviel«, sagte Sartaj. »Ich geb dir zweihundert.«
Ramu beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf und sah ihn scharf an. »Dreihundertfünfzig.«
»Sagen wir dreihundert. Vorschlag zur Güte.«
»Okay. Erst das Geld.«
Sartaj verkniff sich ein Lächeln und legte das Geld auf den Tisch. »Jetzt die Information«, sagte er. »Also, wer waren die Leute?«
Ramu nahm die Scheine, blätterte sie routiniert durch und legte sie weg. »Das weiß ich nicht. Sie haben uns vor dem Kino angesprochen.«
»Wie viele waren es?«
»Zwei.«
»Alt? Jung?« »Alt.«
»Wie alt? Wie der Onkel hier? Oder wie ich?«
Ramu zeigte mit dem Daumen geringschätzig auf Kamble. »Nein, wie der da.«
Kamble versetzte ihm eine Kopfnuß, so kräftig, daß Ramu zusammenzuckte. Tej und Jatin grinsten. »Nimm dich in acht, Chutiya«, sagte Kamble. »Ich bin nicht so nett wie der Saab da. Also, diese beiden Männer - hast du die Namen?«
»Nein. Die haben sie uns nicht gesagt.«
»Wie ist das Ganze abgelaufen?« fragte Sartaj.
»Kurz vor der Abendvorstellung sind sie zu uns hergekommen und haben gesagt, sie zahlen uns was dafür, daß wir ein Päckchen holen.«
»Und dann?«
»Dann sind wir mit ihnen mitgegangen.«
»Die Straße runter?«
»Ja, ein Stück. Da haben sie uns das Auto gezeigt. Sie sind stehengeblieben, und ich bin über die Straße. Ich hab ans Fenster geklopft, und die Frau hat
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