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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Papa-ji ein väterliches Machtwort gesprochen. Wenn Navneet ihren Bachelor machen will, hatte er gesagt, dann macht sie ihn, und damit basta. Doch Mata-ji verfügte über geheimnisvolle Kräfte. Sie zog sich ins Schlafzimmer zurück, Papa-ji verdrehte die Augen und folgte ihr.
    Als Papa-ji am nächsten Morgen wieder herauskam, war es beschlossene Sache, daß eine Heirat zwar aufgeschoben, nicht aber aufgehoben sei. Und jetzt war Navneet-bhenji mit Pritam Sing Hansra verlobt, einem in Gujranwalla stationierten jungen Bauingenieur im Staatsdienst. Nach der Verlobung hatte sich Papa-ji über den schon von weißen Fäden durchzogenen Kinnbart gestrichen und erklärt, Glück sei das Ergebnis vernünftigen Denkens. Mata-ji hatte geschwiegen. Und Prabhjot Kaur, eingeschüchtert von den Anordnungen, die Papa-ji einfach so aus dem Ärmel schüttelte - ein Mann für Navneet-bhenji, ein Haus für die Familie -, hatte begriffen, daß basta nie endgültig basta bedeutete.
    Ram Pari kam täglich, und Mata-ji ließ sich auf Streitereien epischen Ausmaßes mit ihr ein. Drei Tage, zahlreiche praktische Demonstrationen und beißende Kritik kostete es sie allein, ihr beizubringen, wie man das Geschirr so spülte, daß es ein hinlängliches Maß an Sauberkeit erreichte. Ram Pari gab keine Widerworte, sie tat Mata-jis Predigten mit einem Achselzucken ab und spülte zwei Schüsseln und vielleicht noch einen Teller so, daß es höchsten Ansprüchen genügte, um dann zu ihrer gewohnten fröhlichen Nachlässigkeit zurückzukehren. Ihre Kehrtechnik, die zwar schnell und effizient war, aber Staubflusen in den Ecken zurückließ und die Flächen unter den Schränken aussparte, riß Mata-ji zu lautstarken, empörten Tiraden hin. Prabhjot Kaurs Brüder bogen sich vor Lachen und äußerten vernehmlich etwas von »Badboo Pari«. Prabhjot Kaur lachte aus Solidarität mit, fand insgeheim aber, daß es keineswegs ein Badboo war, eher ein durchdringender Boo. An Ram Paris Bauch kam ein drahtiges Muskelgeflecht zum Vorschein, wenn sie ihr Kamiz hob und sich über den Mund, über ihr runzliges, altes Gesicht wischte. Sie tat das manchmal spätnachmittags, nahm dazu nicht wie sonst den Dupatta, den sie um den Kopf trug, sondern das Kamiz, wohl hauptsächlich, um sich Kühlung zu verschaffen, ein bißchen Luft an ihre Haut zu lassen. Ein starker Geruchsschwall wurde dabei freigesetzt, so real und unausweichlich wie eine vom Feuer in der Chaunka 112 heiß aufstiebende Funkenwolke. Prabhjot Kaur zuckte davon zusammen, versuchte jedoch stillzuhalten, die Schärfe auf der Haut zu spüren. Sie freute sich immer schon darauf, schämte sich aber gleichzeitig dafür und behielt diese Gefühle für sich. Es war ihr geheimstes Geheimnis, strenger gehütet als die Sache mit der Ein-Rupien-Münze, die sie unter dem Sofakissen im Wohnzimmer gefunden hatte. Sie gehörte Papa-ji, das wußte Prabhjot Kaur, aber am nächsten Tag wanderte die Münze in ihrem Federkasten mit in die Schule, und sie kaufte davon eine Woche lang Safran-Kulfis, nicht nur für sich, sondern auch für Manjeet und Asha, ihre besten Freundinnen. Sie erzählte niemandem von ihrem zaudernden Verlangen nach Ram Paris Geruch und dessen satter Schärfe, nicht einmal den beiden anderen aus dem Trio, das genau die gleichen ordentlich geflochtenen Zöpfe trug und seit der ersten Klasse nebeneinander in der zweiten Reihe saß.
    An jenem Tag im April schaukelte das Trio in Daraq Alis Tanga 618 dahin, Manjeet wie immer in der Mitte. Sie war die unumstrittene Anführerin, obwohl die beiden anderen bessere Noten und Väter mit besseren Berufen hatten. Manjeets Vater war nur Hotelmanager, aber sie hatte einen schlanken Körper und eine kraftvolle Persönlichkeit, eine Direktheit, die Prabhjot Kaur und Asha bewunderten, auch wenn gar nicht daran zu denken war, ihr darin nachzueifern. Sie waren es zufrieden, sich in ihrem etwas gefährlichen Schatten zu bewegen.
    »Fahr schneller, Chacha«, sagte Manjeet zu Daraq Ali, den Arm über der Rücklehne. »Bitte, fahr schneller, sonst werden wir zu schwarzer Asche hier auf der Larkin Road. Wir verbrennen und verschwinden in einer stinkenden Rauchwolke. Schneller, schneller!«
    Es war halb vier vorbei, und Prabhjot Kaur konnte sich nicht erinnern, daß es jemals so heiß gewesen war. Die Sonne brannte direkt auf sie herab, die Straße nahm kein Ende, und Daraq Ali war der älteste und langsamste Tanga-Fahrer der ganzen Stadt. Er holte die Mädchen morgens zu Hause ab, sein

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