Der Pate von Florenz
sich dazu hergeben würde, ihren eigenen Vater der Folter und später dem Strick des Henkers zu überantworten, das hielt Fiora für ausgeschlossen.
Aber wie war es den Schurken ihres Schwagers nur gelungen, unbemerkt in ihr Haus einzudringen und die gefälschten Siegelflorin in der Putzlappenkiste zu verstecken? Weder die Schlagläden noch das Türschloss waren aufgebrochen worden. Und es war immer einer von ihnen im Haus gewesen. Die Nächte hatte sie auf der Pritsche in der Werkstatt verbracht, weil sie ihrem Vater diese unbequeme Bettstatt nicht zumuten wollte! Ausgeschlossen, dass jemand nachts unbemerkt in die Werkstatt geschlichen war. Seit dem Einbruch und der Verwüstung schreckte sie schon bei dem kleinsten Geräusch auf. Also wie, in Gottes heiligem Namen, hatte man sie übertölpelt?
Plötzlich fiel es ihr siedend heiß ein. Es war … nein, es musste am gestrigen Nachmittag während der Beerdigung von Stefano Grozetti geschehen sein! Der Kesselschmied, dessen Haus und Werkstatt schräg gegenüber lagen, war während der Arbeit von einem tödlichen Schlagfluss aus dem Leben gerissen worden. Er war ein stets freundlicher und umgänglicher Nachbar gewesen, mit dem der Vater sich gut verstanden hatte. Und deshalb war es auch selbstverständlich gewesen, dass sie beide der Totenmesse und der Beerdigung beiwohnen würden.
Aber wie hatten Filippos Handlanger so schnell davon erfahren, dass sich zu dieser Zeit niemand im Haus befinden würde, und wie hatten sie es angestellt, ins Haus einzudringen, ohne Spuren zu hinterlassen? All das blieb weiterhin ein Rätsel. Aber war es denn überhaupt von Bedeutung, wie es geschehen war? Wichtig allein war, dass es geschehen war! Dass es Filippo endlich gelungen war, sie und ihren Vater loszuwerden!
Was sollte jetzt werden? Auf den Vater wartete die Folter, damit er die Mitwisser seines verbrecherischen Tuns verriet. Aber die gab es ja gar nicht, also würde man ihn noch mehr quälen, und am Schluss, wenn kaum noch Leben in ihm war, würde man ihn vor der Stadt hinrichten – im Angesicht einer johlenden Menge, die jedes Urteil, das der Henker öffentlich vollstreckte, zu einer schauerlichen Volksbelustigung machte.
Fiora erzitterte, wenn sie sich ausmalte, was ihr Vater an Qual und öffentlicher Schande würde durchleiden müssen. Dazu durfte es nicht kommen! Sie musste ihn nicht nur vor der Hinrichtung, sondern auch vor der Tortur in der Folterkammer retten! Und es gab nur einen, der dieses Wunder vollbringen konnte – Giuliano de’ Medici!
Die entsetzliche Angst trieb Fiora wieder schneller vorwärts. Inständig betete sie, dass er ihr und ihrem Vater helfen würde.
Endlich hatte sie den Medici-Palazzo in der Via Larga erreicht. Noch ganz außer Atem, klopfte sie an die Manntür des Portals.
Ein livrierter Diener öffnete die Messingtür und musterte sie kritisch. »Wer schickt dich?«, fragte er nicht eben freundlich, denn ihre Kleidung verriet, dass er jemanden aus dem einfachen Volk vor sich hatte. »Hast du etwas abzuliefern?«
Fiora riss sich zusammen. Sie durfte sich ihre Angst und Verzweiflung nicht anmerken lassen. »Ich muss den Signore Giuliano sprechen. Es geht um eine wichtige Angelegenheit«, antwortete sie so ruhig, wie sie konnte.
»Das mag sein, aber hier kann nicht jeder einfach so daherkommen, der etwas auf dem Herzen hat«, erwiderte der Bedienstete von oben herab. »Halte dich an die Sprechzeiten für Bittsteller. Und falls du die noch nicht weißt, frag beim Consigliere in der Via di Mezzo nach!« Schon wollte er die Manntür wieder schließen.
»Warte! Ich komme nicht als Bittstellerin!«, stieß sie hastig hervor. »Es geht um einen Auftrag, mit dem Signore Giuliano meinen Vater betraut hat .«
Der Diener furchte die Stirn, wurde aber ein wenig freundlicher. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Wie ist der Name deines Vaters?«
»Das geht dich nichts an!«, erwiderte sie kühl und zog einen kleinen versiegelten Brief aus der Tasche ihres Kleides. Sie war nicht so dumm gewesen zu glauben, dass man sie einfach so in den Palazzo hineinbitten würde, und deshalb hatte sie eine kurze Nachricht an Giuliano verfasst. »Bring ihm das! Dann wird sich erweisen, ob er für mich zu sprechen ist.«
»Das werde ich gewiss tun«, sagte der Diener. »Aber zu sprechen ist der Signore dennoch nicht, ist er doch erst vor einer halben Stunde ausgeritten.«
Fiora erschrak. »Und wann wird der Signore zurückerwartet?«
Der Diener zuckte mit den
Weitere Kostenlose Bücher