Der Pate von Florenz
Achseln. »Woher soll man das so genau wissen? Ein paar Stunden wird es gewiss dauern. Aber vor der ärgsten Mittagshitze wird er wohl zurück sein.«
Fiora spürte, wie Übelkeit in ihr hochstieg. Mit aller Kraft ging sie dagegen an. Sie griff noch einmal in ihre Tasche, holte einen Grosso hervor und drückte dem Diener die Münze in die Hand. »Übergib das Schreiben meines Vaters, sobald der Signore zurück ist!«
Der Diener grinste. »Du hast mein Wort!«, versprach er.
Fiora blieb nichts anderes übrig, als sich unverrichteter Dinge zurück auf den Heimweg zu machen. Wieder traten ihr Tränen in die Augen. Giuliano war ausgeritten! Und es konnte Stunden dauern, bis er ihre verzweifelte Bitte um Hilfe erhielt! Und ihr Vater? Wie sehr musste er leiden in diesen Stunden!
Sie kehrte jedoch nicht nach Hause zurück, sondern begab sich in die Kirche von San Marco. In der Hoffnung, Giuliano würde nicht lange auf sich warten lassen, hatte sie den hintersten Seitenaltar gleich rechts neben dem Eingang in ihrem kurzen Brief als Treffpunkt angegeben. Die Kirche war ein unverfänglicher Ort, wo er auch ohne Verkleidung keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, und sie lag nur einen Sprung vom Medici-Palazzo entfernt.
Fiora betete immer wieder von Neuem Rosenkränze, Vaterunser und Litaneien, aber nicht nur, um göttlichen Beistand zu erflehen, sondern auch um ihre Gedanken wegzulenken von den Schreckensbildern, wie ihr armer Vater unter der Folter geschunden wurde.
Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis ihr quälendes Warten auf Giuliano endlich ein Ende hatte. Wenige Augenblicke vor dem Angelusläuten hörte sie plötzlich seine leise Stimme neben sich.
Er blieb kurz vor dem Seitenaltar stehen, machte das Kreuzzeichen und senkte den Kopf, als würde er ein stilles Gebet sprechen. Doch in Wirklichkeit raunte er ihr zu: »Wir treffen uns im Klostergarten. Warte kurz. Ich lasse die Seitenpforte offen.« Wieder bekreuzigte er sich und verließ die Kirche.
Fiora musste sich zwingen, nicht sogleich aufzuspringen und hinter ihm herzurennen. Lautlos zählte sie bis hundert, dann erhob sie sich von der Kniebank und eilte hinaus. Schnellen Schrittes ging sie um das Gotteshaus herum und dann an der hohen Begrenzungsmauer entlang. Mit gesenktem Kopf schlüpfte sie Augenblicke später durch die Seitenpforte und sah sich nach Giuliano um. Sie fand ihn hinten beim Werkzeugschuppen, vor dem niedrigen Zaun, hinter dem sich der Kräutergarten der Mönche erstreckte.
Diesmal hatte er sich nicht verkleidet, sondern sich nur einen einfachen, dünnen Umhang über die Schulter geworfen. Er sah verschwitzt aus und trug noch seine Reitstiefel.
»Erzähl! Was ist geschehen?«, fragte er besorgt. Dabei nahm er ihren Arm und zog sie zu der Steinbank, die vor der Seitenwand des Schuppens stand.
»Mein Vater ist heute in der Früh verhaftet worden! Wegen Falschmünzerei! Ein Kommissar der Acht war da mit dem Gildenmeister und zwei Bütteln!«, stieß sie voller Verzweiflung hervor. »Aber das ist nicht wahr! Mein Vater ist unschuldig! Er ist das Opfer eines gemeinen Komplotts, das nur mein Schwager ausgeheckt haben kann! Er hat dafür gesorgt, dass irgendein Lump meinem Vater heimlich gefälschte Siegelflorin untergeschoben hat.« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Vermutlich haben sie ihn schon auf die Folter gebunden!«
»Verhaftet wegen Falschmünzerei? Dein Vater?« Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Nun mal ganz langsam und von Anfang an, Fiora. Ich muss alles wissen, sonst kann ich dir nicht helfen. Wieso bist du dir so sicher, dass dein Schwager dahintersteckt? Warum hast du das dem Kommissar nicht gesagt?«
»Sie hätten mir doch nie geglaubt und womöglich hätten sie mich gleich mitgenommen«, sagte Fiora, auch wenn es nicht die Wahrheit war. Als ihr Vater festgenommen worden war, hatte sie vor lauter Verzweiflung keinen klaren Gedanken fassen können. »Giuliano, sie werden ihn foltern! Und weil er nichts verraten kann, weil er doch unschuldig ist, werden sie ihn immer weiter foltern …« Schluchzend brach sie ab.
Er griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. »Fiora, du darfst jetzt nicht weinen. Du musst mir alles sagen, was du weißt! Welchen Grund sollte dein Schwager haben, so bösartig zu sein, um über deinen Vater und dich ein solches Unheil zu bringen?«
Sie trocknete sich die Tränen und fing stockend an, von ihrer Schwester und ihrem Schwager zu erzählen. Sie berichtete, wie sie zuerst mit
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