Der Pate von Florenz
Partei für die Verschwörer ergriff und mit der Waffe in der Hand an ihre Seite eilte, konnte der Umsturz noch gelingen.
Darauf setzte auch Jacopo de’ Pazzi, als er zu seinem Erschrecken die Sonare di Palagio Alarm schlagen hörte. Mit federgeschmücktem Helm, funkelndem Brustpanzer und gezogenem Schwert in der Hand ritt er an der Spitze einer Hundertschaft bis an die Zähne bewaffneter Gefolgsleute durch die Straßen zur Piazza della Signoria. Dabei brüllten er und seine Männer unablässig »Popolo e libertà!«, um das Volk gegen die Diktatur der Medici und ihrer Parteigänger aufzuwiegeln und es davon zu überzeugen, dass es auch zu den Waffen griff und sich ihnen anschloss. Dann griff er mit seinen Bewaffneten den Regierungspalast an, um ihn im offenen Schwertkampf zu erobern.
Noch glaubten die Verschwörer und ihre Anhängerschaft, dass sie das Blatt zu ihren Gunsten wenden konnten. Alles hing davon ab, ob Lorenzo und Giuliano im Dom unter den Dolchen der Attentäter ihr Leben ausgehaucht hatten – und ob das Volk sich auf die Seite der Pazzi schlug.
12
D ie Stille, die auf den Tumult im Dom folgte, war beklemmend, ja geradezu gespenstisch, selbst als die Glocken der Signoria zu läuten begannen. Sie hatte etwas Bedrohliches. Den Männern, die in der Sakristei eingeschlossen waren, schien es, als lauerte in diesem Schweigen unter der mächtigen Domkuppel noch immer der Tod auf sie, der nur darauf wartete, dass sie sich gerettet wähnten und die Türen wieder öffneten.
Lorenzo de’ Medici saß mit bleichem Gesicht auf einem Armstuhl und presste eine Hand auf die Halswunde. Blut sickerte zwischen den Fingern hervor. »Wo ist Giuliano?«, stieß er gepresst hervor. »Weiß einer, ob … ob mein Bruder den Anschlag überlebt hat?«
Ein stummes Kopfschütteln war die Antwort. Die meisten von ihnen hatten zum Zeitpunkt des Anschlags bei Lorenzo gestanden und in dem darauf folgenden Tumult keine Gelegenheit gehabt, sich um Giuliano zu kümmern. Und wer die von Dutzenden Stichen geschundene Leiche gesehen hatte, brachte es nicht übers Herz, Lorenzo zu sagen, dass sein Bruder tot war.
»Lass mich deine Wunde untersuchen!«, sagte Antonio Ridolfi, um Lorenzo abzulenken, und trat zu ihm.
Der machte eine abwehrende Handbewegung. »Der verfluchte Hundesohn hat mir, dem Allmächtigen sei Dank, mit seinem Dolch nur die Haut aufgeritzt«, wehrte er ab. »Das wird schnell wieder verheilen.«
»Vielleicht ist die Klinge vergiftet gewesen!«
Lorenzo sah ihn erschrocken an. Daran hatte er offenbar nicht gedacht.
»Jetzt nimm schon die Hand von der Wunde, damit ich sie aussaugen kann!«, forderte Ridolfi ihn auf.
»Das kann ich nicht zulassen. Wenn wirklich Gift an der Klinge war, kann das auch deinen Tod bedeuten.«
»Sei unbesorgt, ich werde das Gift ausspucken.«
»Aber selbst dann kann es sein, dass …«
»Genug jetzt! Ich weiß, was ich tue und warum ich es tue!«, fiel Ridolfi ihm energisch ins Wort. »Und nun lass mich endlich machen, ehe es zu spät ist!«
Lorenzo sträubte sich nicht länger und nahm seine blutige Hand von der Wunde, damit sein Freund sie aussaugen konnte. »Wenn die Pazzi-Brut und ihre ruchlose Mörderbande meinen Bruder umgebracht haben, werden sie wünschen, sie wären niemals geboren worden, das schwöre ich!«, stieß er hervor. »Gebe Gott, dass Giuliano noch lebt! Andernfalls wird sein Blut über sie kommen!«
Marcello kauerte indessen neben dem toten Francesco Nori, dem Gismondo della Stufa soeben die leblosen Augen geschlossen hatte. Sein Atem ging schnell und flach. Seine linke Körperhälfte schien in Flammen zu stehen und trotzdem spürte er, wie warmes Blut aus der langen Wunde rann und seine Kleidung nässte.
Sein unsteter Blick irrte durch die Sakristei. Er hatte Mühe, die Männer um sich herum zu erkennen. Immer wieder verschwammen sie vor seinen Augen, überlagert von zuckenden schwarzen Punkten.
Es war Gismondo, der bemerkte, dass mit Marcello etwas nicht stimmte. Er fing dessen flackernden Blick auf und entdeckte dann dessen blutbeschmierte Hand, die über die aufgeschlitzte Kleidung tastete.
»Um Gottes willen, hat es dich etwa auch erwischt?«
Marcello nickte. Er atmete stoßweise. Aus irgendeinem ihm unbegreiflichen Grund vermochte er kein Wort über die Lippen zu bringen. Auch gelang es seinen Augen kaum noch, Gismondo zu erkennen. Der Mann wurde zu einer verzerrten Silhouette.
Gismondo beugte sich über ihn, legte ihn auf den Boden und drehte ihn
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