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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Kopf getätschelt zu bekommen. Er lächelte ebenfalls und fuhr fort, Details in sich aufzunehmen. Ein Gesteck von drei Dutzend roten Rosen schmückte den Tisch. Die Gedecke waren Glashexagone mit Platinrändern, zu denen jeweils weißes Porzellangeschirr von schlichter Eleganz, diverse schwere Utensilien aus Sterlingsilber, rubinrote Leinenservietten in vergoldeten Ringen, geschliffene Kristallgläser für Wasser, Rot- und Weißwein und viel größere, langstielige Pokale aus gehämmertem Silber mit Glaseinsätzen gehörten.
    Sechs Gedecke, fünf Pokale.
    Rechts von Jeremys Teller stand eine schlichte Champagnerflöte – so klobig und billig, dass sie aus einem Discountgeschäft hätte stammen können.
    Mitglieder hatten eben Privilegien …
    Arthur hatte angefangen zu sprechen und unterstrich seine Worte mit den entsprechenden Gesten. »… in der Tat eine angenehme Bereicherung, um etwas junges Blut in unsere ergraute Versammlung zu bringen.«
    Zustimmendes Kichern.
    »Jeremy, ich möchte Ihnen diese Schurkenbande vorstellen.« Arthur zeigte auf den Mann, der zwei Stühle weiter auf Jeremys Seite des Tisches saß. Ein weißbärtiger Mann mit Augen, die so blau waren, dass sie sogar aus der Entfernung funkelten. »Professor Norbert Levy.« Arthur nannte eine berühmte Universität im Osten.
    Levy hatte ein rotes Gesicht, schwere Hängebacken und volles, widerspenstiges, lockiges Haar. Er trug einen anthrazitfarbenen Tweedanzug mit breiten Revers, ein bunt kariertes Hemd mit Button-down-Kragen und eine karamellfarbene Krawatte, die zu einem dicken Windsorknoten gebunden war.
    »Professor«, sagte Jeremy.
    Levy grüßte und grinste. »Professor emeritus. In verständlicher Sprache: Man hat mich auf die Weide getrieben.«
    »Norbert hat die Abteilung für Maschinenbau aus dem Nichts auf die Beine gestellt«, sagte Arthur.
    »Es war eher so, dass ich den richtigen Leuten kein Bein gestellt habe«, erwiderte Levy.
    Die Frau, die zwischen dem Ingenieur und Jeremy saß, legte eine Hand auf ihre Brust. Die schwarzen Perlen klimperten. »Ein plötzlicher Paradigmawechsel zur Bescheidenheit, Norbert? Ich weiß nicht, ob mein Herz diesen Schock verkraftet.«
    »Ich tue alles, um dich wach zu halten, Tina«, entgegnete Norbert Levy.
    Arthur sagte: »Ihre Eminenz, Richterin Tina Balleron, früher beim höheren Gericht.«
    »Und jetzt Herrin über den Golfplatz«, sagte die Frau mit einer rauchigen Stimme. Sie hatte den Teint einer braunen Papiertüte und gefährlich sommersprossige Hände, um den Beweis für achtzehn Löcher am Tag zu erbringen, war mager und starkknochig und hatte kurzes lockiges Haar, das champagnerblond gefärbt war. Abgesehen von den Perlen trug sie keinen Schmuck, aber das war auch nicht nötig. Vor ein paar Jahrzehnten war sie vermutlich eine atemberaubende Schönheit gewesen. Selbst jetzt vermochte faltige und hängende Haut nicht die Entschlossenheit zu verbergen, die ihr Kinn und ihr Unterkiefer verrieten. Sie redete ausgesprochen leise, und Jeremy fand das überraschend verführerisch. Ihre Augen waren klar, dunkel, belustigt.
    »Höheres Gericht«, sagte Norbert Levy. »Die Frage ist, höher in Bezug auf was? Gibt es ein niederes Gericht, meine Liebe?«
    Richterin Tina Balleron machte ein leises, kehliges Geräusch. »Angesichts der Qualität der Anwälte heutzutage würde ich sagen, es gibt jede Menge.«
    Arthur sah jetzt auf seiner Seite des Tisches zu dem Mann hinüber, der zwei Stühle weiter saß. »Edgar Marquis.«
    Keine Berufsbezeichnung; als ob der Name schon alles sagte.
    Marquis war eindeutig der älteste von ihnen – Anfang bis Mitte achtzig. Da er geschrumpft zu sein schien und keine Haare mehr hatte und eine dünne, von blauen Äderchen durchzogene Haut, hatte man fast den Eindruck, als würde er von seiner Kleidung verschlungen. Sein Kopf saß tief auf seinen Schultern, leicht nach vorn geneigt, als wäre er der Stütze eines Halses beraubt. Seine Oberlippe ragte vor wie der Schnabel einer Schildkröte. Sein Anzug war aus schwarzer Seide. An den Ärmeln saßen mit Satin bezogene Knöpfe, die Jeremy bisher nur an Smokingjacken gesehen hatte. Marquis’ Hemd war perlgrau, seine dünne Krawatte so fröhlich rot wie mit Sauerstoff angereichertes Blut. Edgar Marquis war ein alter Dandy.
    Er schien zu schlafen, und Jeremy wandte langsam den Blick ab. Dann zog Marquis dort ein Hautsegment hoch, wo seine Augenbrauen hätten sein müssen, und zwinkerte.
    »Edgar«, sagte Tina Balleron, »war

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