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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ständig, aber gemächlich. Nichts Kontroverses, nichts Hochgestochenes, nur verschiedene unbeschwerte Anmerkungen zu den Schlagzeilen des Tages. Dann sagte Norbert Levy etwas über ein für den Nachbarstaat geplantes Projekt – Staudamm mit Wasserkraftwerk –, führte Fakten und Zahlen an, redete über die Assuan-Katastrophe in Ägypten, die Vergeblichkeit der Versuche, die Natur zu bezwingen.
    Tina Balleron erwähnte ein Buch über die Unvermeidlichkeit von Überschwemmungen des Mississippiufers, das sie gelesen hatte.
    Harrison Maynard bezeichnete das Pionierkorps der Army als »Frankensteins Ungeheuer in Khaki« und zitierte Jonathan Swift mit der Ansicht, dass jemand, der es fertig brächte, zwei Ähren an der Stelle zu pflanzen, an der bisher eine gewachsen war, mehr für die Menschheit getan hätte als »die gesamte Kaste der Politiker«.
    »Swift war einer der größten Denker aller Zeiten«, sagte Arthur Chess. »Seine Ansicht zur Unsterblichkeit ist nahezu biblisch in ihrer Schärfe.« Der Pathologe beschrieb anschließend einen Besuch an Swifts Grab in Dublin und leitete dann über zu den Freuden, die die Lesesäle in den Bibliotheken des Trinity College bereithielten.
    Edgar Marquis sagte, endlich seien die Iren auf dem richtigen Weg: ließen Kartoffeln Kartoffeln sein und stürzten sich auf die Technologie. »Im Gegensatz zu … anderen Nationen wissen sie auch, wie man kocht.«
    Norbert Levy erzählte von einem sagenhaften Essen in einem Dubliner Hafenrestaurant, einem Familienbetrieb. Perfekt gegrillte schwarze Seezunge – die Iren würden sich nie dazu herablassen, sie Dover-Seezunge zu nennen, weil sie die Engländer hassen. Der Mann stehe am Herd, die Frau sei die Sommelière.
    »Und was tun die Kinder, backen?«, fragte Harrison Maynard.
    »Sie sind Ärzte und Rechtsanwälte«, sagte Levy.
    »Ein Jammer.«
    Tina Balleron wandte sich an Jeremy. »Wie ist Ihr Fisch, mein Lieber?«
    »Wundervoll.«
    »Das freut mich.«
    Der zweite Gang war ein warmer Salat von Taubenbrust und Steinpilzen über grünem Feldsalat mit einem Pancetta-Dressing. Ein anderer Weißwein wurde ausgeschenkt – dunkler in der Farbe, trocken und mit einer feinen Eichenholznote, und Jeremy schluckte ihn voll Freude und sorgte sich ausgelassen, ob er wohl vom Stuhl fallen würde.
    Aber sein Verstand blieb scharf; sein Körper schien den Alkohol jetzt besser zu verkraften. Der schöne Raum war klarer, heller, seine Geschmacksknospen waren erwartungsvoll gespannt, und die Stimmen seiner Tafelgenossen waren so beruhigend wie ein feuchter Umschlag.
    Arthur sprach über die Schmetterlinge Australiens.
    Edgar Marquis äußerte die Ansicht, dass Australien den Vereinigten Staaten in den Fünfzigerjahren und Neuseeland England in den Vierzigerjahren vergleichbar sei. »Drei Millionen Menschen, sechzig Millionen Schafe. Und sie lassen keine Reptilien ins Land.«
    Harrison Maynard beschrieb eine Stelle in Neuseeland, wo man zur gleichen Zeit auf die Tasmansee und den Pazifischen Ozean hinabblicken könne. »Das ist der absolute Kontrast. Die Tasmansee ist ständig in Aufruhr, und der Südpazifik ist so glatt wie Glas. Ich habe einen Fels gefunden, wo die Australtölpel sich paaren. Möwenähnliche Geschöpfe mit goldenem Kopf. Sie sind monogam. Wenn ein Partner stirbt, sondert sich der andere von den Übrigen ab. Der Fels stank nach Frustration.«
    »Nicht sehr anpassungsfähig«, sagte Jeremy.
    Fünf Augenpaare richteten sich auf ihn.
    »Im Hinblick auf die Fortpflanzung«, erklärte er. »Gibt es ein Problem mit der Populationskontrolle?«
    »Gute Frage«, sagte Maynard. »Ich hatte einfach angenommen, es wären moralinsaure kleine Scheißer.«
    »Es ist wirklich eine gute Frage«, sagte Arthur.
    »Das sollte überprüft werden«, sagte Tina Balleron.
    Der dritte Gang war ein blassrosafarbenes Sorbet mit einem Geschmack, den Jeremy nicht identifizieren konnte, begleitet von Eiswasser.
    Als spürte er Jeremys Neugier, informierte Norbert Levy ihn: »Blutorange und Pomelo. Die Letztere ist eine Verwandte der Grapefruit. Unser Abendessen scheint unter einem Zitrusstern zu stehen.«
    »Sie sind größer als Grapefruits, nicht wahr?«, sagte Edgar Marquis. »Ich glaube, man verkauft sie in mexikanischen Dörfern auf Wochenmärkten.«
    »Riesige, unförmige Dinger«, pflichtete Levy ihm bei. An Jeremy gewandt: »Süßer als Grapefruits, aber ungeeignet für kommerzielle Produktion, weil das Verhältnis von Schale zu Fruchtfleisch sehr

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