Der Pathologe
verschmierte Flecken, die erstarben, bevor sie auf den Asphalt trafen. Keine Sterne, kein Mond, nichts, was man als Orientierung hätte nutzen können; die Kraft des Unwetters führte zu Kurzsichtigkeit.
Der Lincoln bog in eine weitere nicht beleuchtete Straße ein und reduzierte die Geschwindigkeit. Jeremy sah keine Wohnhäuser, keine Bürgersteige, nur eine schlichte Gebäudefront nach der anderen.
Eine blutige Angelegenheit.
Killerkäfer. Was wusste er denn wirklich über den alten Mann? Worauf hatte er sich eingelassen?
Arthur fuhr noch ein Stück weiter, wurde allmählich immer langsamer und brachte den Lincoln vor einem zweistöckigen Würfel zum Stehen. Alles, was Jeremy ausmachen konnte, waren Plattenwände und eine schmale Tür, über der eine ausgerollte Markise angebracht war. Unter der Markise warf eine Glühbirne in einem Mattglaskasten einen Lichtfächer. Die Beleuchtung war von einem Blauton, wie Jeremy ihn noch nie gesehen hatte – ein blasses Blau mit einer purpurnen Schattierung, geradezu klinisch.
Sobald Arthur den Motor abgestellt hatte, ging die Tür auf, und ein kleiner Mann trat unter die Markise. Das blaue Licht reichte ihm bis zur Taille; darunter war er dunkel, nahezu unsichtbar. Die Illusion war die einer Gestalt ohne Unterleib.
Der halbe Mann streckte den Arm aus, ein Regenschirm öffnete sich mit einem schnappenden Geräusch, und er eilte hinter den Lincoln. Arthur drückte auf einen Knopf, der Kofferraum ging auf, und als der Mann an der Fahrertür auftauchte, hielt er zwei Schirme in der Hand.
Er hielt Arthur die Tür auf, stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Schirm über den viel größeren Pathologen zu halten, und wurde nass dabei. Er reichte Arthur einen Schirm, kam um den Wagen herum und öffnete Jeremys Tür.
Aus der Nähe sah Jeremy, dass der Mann eher in Arthurs Alter war als in seinem und kaum größer als einen Meter sechzig. Dünne schwarze Haare, gescheitelt und geschniegelt, krönten ein rundes, von Furchen durchzogenes Kapuzinergesicht, wie man es an manchen Zwergen sehen kann. Strahlende schwarze Augen fingen von irgendwoher Licht auf und funkelten Jeremy an.
Unter den Augen ein lippenloses Lächeln.
Der Mann trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd, eine dunkle Krawatte. Abermals setzte er sich dem Regenguss aus, damit Jeremy unter seinen Schirm treten konnte. Jeremy trat näher, um den Schirm mit ihm zu teilen, aber der kleine Mann blieb außer Reichweite, während sie zur Tür liefen.
Als Jeremy in das blassblaue Licht kam, wurden seine Augen von einer Fluoreszenz überrascht, bei der sich seine Pupillen unwillkürlich zusammenzogen.
Eine große Gestalt füllte den Türrahmen aus. Arthur war bereits drinnen.
Der kleine Mann mit dem Affengesicht ließ ihm den Vortritt. Durchnässt, aber immer noch lächelnd. Sie standen zu dritt in einem kleinen weißen Vorraum mit einer weißen Tür auf der anderen Seite. Die Decke bestand aus schalldämpfenden Fliesen. Das helle Licht entsprang einem Leuchtkörper, der einer länglichen Waffel ähnelte. Keine Möbel, keine Gerüche, keine frische Luft. Bis auf Flecken, Kleckse und Pfützen schmutzigen Wassers auf dem schwarzen Linoleumboden ein durch und durch anorganischer Ort.
»Laurent«, sagte Arthur. »Vielen Dank dafür, dass Sie für unseren Schutz gesorgt haben.«
»Das ist doch selbstverständlich, Dr. Chess.« Der kleine Mann nahm beide Schirme und stellte sie in eine Ecke. Er nahm Arthur den Mantel ab, bevor er sich Jeremy zuwandte.
»Das ist Dr. Carrier, Laurent.«
»Ich bin erfreut, Sie kennen zu lernen, Dr. Carrier.« Laurent streckte die Hand aus, und Jeremy schüttelte etwas, das sich wie ein Knauf aus knorriger Eiche anfühlte.
»Die anderen sind bereits da«, sagte Laurent zu Arthur. Sein Anzug war wie der Arthurs elegant geschnitten, aber aus einer anderen Ära. Blauschwarzer Gabardine, darunter ein weißes Hemd. Der Hemdkragen wurde von einem goldenen Stift zusammengehalten, und die Krawatte war aus schwarzem Satin. Winzige schmale Füße steckten in schwarzen Schnürschuhen, die so gut poliert waren, dass das Regenwasser von dem Leder abperlte und auf den Boden rollte.
»Schön«, sagte Arthur.
»Alles sieht wunderbar aus, Sir.« Laurent wandte sich wieder an Jeremy. Seine Wangen waren gerötet. »Sie sind ein glücklicher junger Mann.«
Arthur stieß die weiße Tür auf und hielt sie offen, während Laurent vorauseilte. Hinter Jeremy schloss sie sich mit einem Zischen, und seine
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