Der Pathologe
Army, wie?«
Jeremy schüttelte den Kopf.
»Zu dumm«, sagte Doresh. »Sie haben was verpasst.«
»Zweifellos.«
Der Detective stand auf. »Ich meine das ohne jede Ironie, Doc. Dienst an Ihrem Land – alles, was Sie für andere tun – ist gut für Ihre Seele. Andererseits erreichen Sie das vermutlich durch Ihre Arbeit. Ihre Hypnose-Sitzungen, was auch immer.«
Indem er die Hypnose mehr als einmal erwähnte, ließ er Jeremy wissen, dass er ihn doch überprüft hatte.
Er konnte es nicht lassen, seine Spielchen zu spielen. In der Zwischenzeit starben Frauen. Der Kerl war nutzlos.
Jeremy stand auf.
»Lassen Sie nur«, sagte Doresh. »Ich finde allein raus. Und sollten Sie noch eine Idee haben, Doc, rufen Sie mich ruhig an.«
29
Doreshs Stippvisite hatte Jeremy einen Schock versetzt.
Er platzt hier rein, und ich komme mir vor wie ein Verdächtiger. Was ist los mit mir?
Vielleicht hing es mit der namenlosen Frau am Saugatuck Finger zusammen. Tyrene Mazursky war namentlich erwähnt worden. Was bedeutete das? Ein alter Hut? Wegwerfopfer? Verdienten sie jetzt nicht mal mehr einen Namen?
Sein Atem ging rascher, und seine Augen taten weh. Die Wände seines Büros rückten enger zusammen. Er piepte Angela an, aber sie meldete sich nicht. Versuchte es nochmals, wobei er dachte, dass ein zweites Mal Abhängigkeit verriet. Ob er dafür bereit war?
Immer noch keine Reaktion.
Er war es so müde, allein zu sein.
Der Lichtschacht vor seinem Fenster war schwarz, und auf einmal war das Fenster nass und voller Schlieren. Regen, ein heftiger, schmutziger Schauer spuckte gegen das Glas.
Er warf seinen Mantel über, verließ das Krankenhaus und ging zu der Buchhandlung des mürrischen stummen Mannes.
Als er dort ankam, war sein Mantel völlig durchnässt, und die Haare klebten an seinem Schädel.
Sonst war niemand auf der Straße. Niemand war dumm genug. Ein Kombi jüngeren Modells war vor der Buchhandlung geparkt. Weiß, und deshalb leicht zu sehen. Die schwarzen Fenster machten den Laden in dem Dämmerlicht fast unsichtbar. Die Tür stand offen, und er ging hinein.
Kein dicker Mann an dem Tisch.
Kein Tisch.
Keine Bücherregale, keine Bücher. Nichts. Das Licht war an, aber der Laden war leer, abgesehen von einem gefalteten Mantel über einem Stuhl, einer Registrierkasse auf dem grauen Linoleumboden, deren Stecker herausgezogen war, und einer rotblonden Frau, die den Boden kehrte.
»Sie armer Kerl«, sagte die Frau. »Sind Sie ein Kunde?«
»Ich hab hier früher Bücher gekauft.«
»Sie wissen es noch nicht. Es tut mir Leid. Ich wünschte, ich hätte ein Handtuch für Sie.«
»Was weiß ich noch nicht?«
»Das Antiquariat existiert nicht mehr. Mein Vater ist gestorben.«
Jeremy suchte nach dem Namen des dicken Mannes – Arthur hatte ihn erwähnt …
Renfrew
. Schließlich taten doch ein paar Neuronen ihre Pflicht.
»Mr. Renfrew ist gestorben?«, fragte er.
Die Frau lehnte den Besen an die Wand und kam zu ihm. Sie hatte ein rundliches, freundliches Gesicht, Hüften, auf die man seine Hände legen konnte, mütterliche Brüste und lockiges, schulterlanges Haar in dem schönsten Farbton, den Jeremy je gesehen hatte. Einen Teint wie Buttermilch, helle Sommersprossen, grüne Augen, um die vierzig. Wenig Make-up, weil sie wusste, dass das Alter es gut mit ihr meinte.
Ihre Kleidung war für Putzarbeiten schlecht geeignet – ein gut geschnittenes minzgrünes Kostüm und dazu passende Schuhe, eine unauffällige goldene Halskette, ein diamantbesetzter Ehering. Der Regenmantel auf dem Stuhl war kamelhaarfarben, trocken und ordentlich gefaltet.
»Ich bin Shirley Renfrew DePaul, Mr. Renfrews Tochter.« Sie sah sich in dem leeren Laden um. »Ich fürchte, es ist das Ende einer Ära.«
»Ja, das ist es.« Jeremy stellte sich vor.
»Aus dem Krankenhaus«, sagte sie. »Eine Menge Ärzte und Schwestern sind hierher gekommen. Dad hat eine Institution geschaffen. Damals, als dies eine bessere Gegend war, kamen alle möglichen Intellektuellen hier vorbei – Schriftsteller, Lyriker, Künstler von Format. Sie hielten Dad nicht die Treue. Ihr Krankenhaus-Leute habt ihn in den letzten paar Jahren unterstützt. Wussten Sie, dass er in seiner Jugend Medizin studiert hat?«
»Tatsächlich?«
»Zwei Jahre lang, dann hat er sich anders entschieden. Poesie war mehr nach seinem Geschmack. Er war ein sanfter Mensch und hat mich ganz allein aufgezogen.«
Shirley Renfrew DePaul verbarg ihren Kummer hinter einem schwachen Lächeln, und
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